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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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dazwischen.
    »Wie ihr gesehen habt, hat er viele Freunde. Sie protestieren dagegen, daß man ihn jagt. Schaut euch dieses Flugblatt an! ›Die anerkannte schweizerische Haistiftung belegt: Jedes Jahr werden etwa siebenhunderttausend Tonnen Haie erlegt. Ein Hai wiegt durchschnittlich zwischen zehn und zwanzig Kilogramm. Das heißt: einhundert Millionen Haie jährlich, zweihundertsiebzigtausend pro Tag oder elftausendvierhundert pro Stunde oder drei Haie pro Sekunde!‹ Ich wußte gar nicht, daß die Schweiz am Meer liegt! Die spinnen doch.«
    Laurenti ging ans Fenster und schaute auf das Hafenbecken der Capitaneria und den Porto Vecchio. Er sah die Ferretti 57 des Österreichers unten liegen. »Ich würde mir gerne das Schiff genauer ansehen«, sagte er.
    »Gehen wir hinunter. Ich zeige es dir.« Orlando war aufgestanden, und Laurenti überredete seine Mutter mitzukommen, da sie auf diese Weise einen Blick hinter die Kulissen werfen könnte.
    »Wie teuer ist eine solche Yacht?« fragte sie Orlando.
    »Ungefähr zwei Milliarden Lire. Man kann sagen, jede Pferdestärke des Motors kostet eine Million. Aber damit zu fahren kostet in der Stunde noch mehr. Viertausend-Liter-Diesel-Tank, siebenhundert Liter Wasser …«
    Laurentis Mutter blickte ihn erstaunt an. »So viel Diesel?«
    »Ach, das geht noch. Da gibt’s noch viel größere. Warum?«
    »Selbst als die Kinder noch im Haus waren, brauchten wir nie mehr als viertausend Liter Heizöl im Jahr. Wie lange reicht das?«
    »Wenn er von hier aus einigermaßen schnell nach Apulien fährt und danach durch die Straße von Messina an Kalabrien vorbei und bis zu euch, dann muß er wieder tanken. Also höchstens zwei Tage.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht!«
    »Schau, das ist ganz einfach. Wer sich überlegt, ob er sich ein Schiff leisten kann, kann sich kein Schiff leisten.« Orlando zeigte ihnen die Inneneinrichtung, als wäre er selbst der stolze Besitzer.
    »Schaut mal! Zwei Badezimmer, vier Schlafzimmer, Salon, Küche mit drei Kühlschränken, Klimaanlage und natürlich die technischen Superlative: Radar, Satellitennavigation, Telekommunikation, Computer usw. Und dennoch kann man ein solches Monstrum alleine fahren. Diese Schiffe verfügen über Manövrierschrauben, dieses hier kann man sogar mit einer Fernbedienung auf Knopfdruck an den Kai steuern, so wie man beim Fernsehen die Programme wechselt. Aber mir wäre es zu behäbig …«
    Orlando hörte gar nicht wieder auf zu erzählen. Sie standen im Salon mit seinem cremefarbenen tiefen Teppichboden und der schweren Polstergruppe. Laurenti ließ sie alleine und ging wieder nach oben. Er wollte sich das Deck ansehen, wo der Österreicher gestanden haben mußte, als er Besuch bekam.
    Wie ist das, wenn man auf Deck ist und ein anderes Schiff kommt? Er stand sehr hoch. Laurenti setzte sich auf den weißen Ledersessel hinter dem Steuer. Der Österreicher, so stellte er sich vor, mußte weit gesehen haben, vielleicht nicht nachts, aber auf jeden Fall noch in der Dämmerung. Überrascht werden konnte man da kaum. Und Orlando sagte, die Fender seien draußen gewesen. Auf welcher Seite? Laurenti schaute über die Reling, sie hingen noch da. Er ging von Bord und den Steg entlang, zwischen dem und der Mole das Schiff vertäut war. Er setzte sich auf den Steg und ließ die Beine baumeln. Er schaute sich den Rumpf des Schiffes an und den Deckaufbau. Die Yacht maß gewiß fünf Meter Höhe. Wie kam man auf See dort hinauf? Über den Landesteg? Aber der war am Heck, warum dann die Fender? Die Badetreppe war ebenfalls am Heck. Mit dem Kran? Kaum. Es sei denn, das zweite Schiff wäre etwa gleich hoch gewesen, so daß man lediglich einen Schritt oder einen knappen Sprung von Deck zu Deck machen mußte. Die Ferretti lag still an ihrem geschützten Platz im Bassin der Capitaneria und spiegelte sich im Wasser wider. Laurentis Blick glitt wieder am Schiffsrumpf entlang. Dann sprang er auf.
    »Ettore! Ettore!« Orlando ließ sich mit einem Whiskyglas in der Hand an Deck blicken. Der Chef der Guardia Costiera und die Mutter des Kriminalkommissars nahmen tatsächlich einen Drink auf Kosten des Vermißten.
    »Was gibt’s?«
    »Hast du im Untersuchungsbericht etwas von Farbspuren eines anderen Schiffes gelesen?«
    »Ich habe nicht einmal selbst welche gesehen«, antwortete Orlando.
    »Dann komm doch mal her und sag mir, was das hier ist.« Laurenti zeigte mit dem Finger auf einen der Fender. »Dort, hinter dem Fender! Dort ist

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