Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Abend, oder zwei Suiten. Da hat der Portier in seinem Buch nachgeschaut, das auf dem Tresen lag. Da stand sehr deutlich der Name Romano Rossi in der Spalte ›Große Suite‹. Das war alles. Ich fragte dann nach den Preisen und so weiter und ließ mir den Prospekt des Hauses geben.«
»Du hättest einen guten Detektiv abgegeben, Mamma«, er hatte schon sein Mobiltelefon in der Hand.
»Laurenti«, meldete er sich. »Sgubin, bist du es?«
»Ja!« Der Unermüdliche hatte also wieder einmal das Schichtende nicht geschafft. »Wollte soeben nach Hause gehen.«
»Kannst du mir noch einen kleinen Gefallen tun? Überprüfe bitte im Computer, ob wir einen Romano Rossi kennen.« Laurenti gab die erforderliche Personenbeschreibung durch und wartete.
»Schade«, murmelte er, nachdem Sgubin ihm berichtete, daß der Computer nichts ausgespuckt hatte. »Wirklich schade.«
18.20 Uhr
Er hatte seine Mutter gebeten, alleine zurückzugehen. Die dreihundert Meter des Weges würde sie schon schaffen. Er hoffte, zum Abendessen wieder zu Hause zu sein, natürlich mit einem schlechten Gewissen. Aber er wollte noch an diesem Abend mit der Signora Bianchi sprechen, der Nachbarin des toten Chartow in der Via Ponzanino. Sowohl sein Wagen als auch die Vespa seines Sohnes standen vor seinem Büro, eine knappe Viertelstunde Fußweg entfernt. Laurenti wühlte in den Hosentaschen und fand nur den Zündschlüssel des Motorrollers. Später könnten sie Lauras Wagen nehmen. Dafür bliebe ihm in San Giacomo die aussichtslose Parkplatzsuche erspart.
Fernsehlärm drang aus einer der Wohnungen in das Treppenhaus der Via Ponzanino 46, in dem er schon einmal an diesem Tag gewesen war. Er stieg in den dritten Stock und klingelte an der Tür neben der versiegelten Wohnung der Chartows. Nach einer Weile hörte er vorsichtige Schritte hinter der Tür und ein lang gezogenes »Siiii?«.
»Commissario Laurenti, Signora. Polizia Statale. Wir haben uns heute schon einmal gesprochen, aber ich muß Sie noch etwas fragen.«
Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet, und Laurenti sah die vorgehängte Sicherheitskette, die niemanden, der die Tür mit Gewalt öffnen wollte, zurückgehalten hätte. Dahinter erschien der weißhaarige Kopf der alten Frau.
»Aber ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich nicht helfen kann«, sagte sie, »außerdem tragen Sie keine Uniform. Woher soll ich wissen, daß Sie Polizist sind?«
»Hier, sehen Sie, mein Ausweis.« Er hielt ihn an den Spalt der Tür, und die Signora schaute ihn lange an. Sie schüttelte den Kopf.
»Das sagt gar nichts. Sie können alles sein.« Sie verkleinerte bereits den Spalt zwischen Tür und Rahmen.
»Signora, ich bitte Sie. Führte ich Böses im Schild, dann hätte ich wahrscheinlich eine Pistole in der Hand.«
»Das hatten die in der Nacht auch nicht!« Schon schien sie zu bereuen, was sie gesagt hatte.
»Also haben Sie sie gesehen? Können Sie sie beschreiben?«
»Ich habe nichts gesehen.«
»Wir brauchen wirklich Ihre Hilfe, Signora. Glauben Sie mir, bitte. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Nehmen Sie diesen Ausweis und rufen Sie auf der 113 an und fragen Sie, ob er gültig ist und ich das bin.«
»Und wer bezahlt mir das Telefongespräch?«
»Ich.« Laurenti kramte aus seiner Tasche einen Tausendlireschein hervor und hielt ihn in den Türspalt. Sie nahm ihn nicht.
»Warten Sie.« Sie drückte die Tür zurück ins Schloß. Laurenti bemerkte, daß sie sowohl im zweiten wie auch im vierten Stock Zuhörer hatten. Als er drei knarrende Stufen nach oben ging, fiel im vierten Stock eine Tür ins Schloss. Viel Neugier, wenig Hilfe – das Übliche.
Es dauerte lange, bis er Signora Bianchi wieder durch den Flur ihrer Wohnung tapsen hörte. Gleich danach wurde die Kette aus ihrem Schloß gezogen und die Tür geöffnet.
»Bitte, kommen Sie.«
Er trat ein. Signora Bianchi hängte hinter ihm die Kette wieder ins Schloß. Er stand in einem engen Korridor mit vergilbtem Blumenmuster an den Wänden und braunem Linoleumfußboden. Drei Türen gingen von ihm ab, zwei standen offen, eine kleine Küche, ein Wohnzimmer. Vor dem Küchenfenster stand ein Käfig mit zwei knallgelben Kanaren, die aufgeregt schwatzten, auf dem Herd kochte in einem Topf Wasser, in einem anderen der Sugo.
»Ich störe Sie beim Essen, Signora! Das tut mir leid.« Proteo hoffte, daß sie ihn nicht zum Essen einlüde.
»Es ist noch nicht soweit«, die alte Frau ging in die Küche. »Haben Sie Hunger?«
»Nein, danke. Meine Mutter ist
Weitere Kostenlose Bücher