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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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breit nicht. Außerdem brauchst du sie jetzt. Acht!« Die Fotos flogen ungnädig zu Drakic zurück.
    »Neun zum Preis von zehn!«
    »Neun!« Drei weitere Fotos wurden über den Tisch geschoben.
    Drakic schaute sie ruhig an.
    »Wann?«
    »Wie besprochen. Morgen Nacht, zwei Uhr dreißig. Wie beim letzten Mal.«
    Drakic nickte und schob den Koffer über den Tisch. Der Mann mit den Fotos zog ihn zu sich und ließ die Verschlüsse aufschnappen. Er öffnete den Koffer und zählte die Dollarnoten. Für Minuten herrschte reglose Stille, in der man nur die Atemzüge der Männer und das Rascheln der Banknoten vernahm. Keiner sprach. Dann endlich nickte der Handlanger. Der Mann ihm gegenüber griff in die Jackentasche und zog eine Schachtel Marlboro heraus. Er öffnete sie und hielt sie vor Drakic, der eine Zigarette herauszog. Der Verschluß eines goldenen Feuerzeugs schnappte auf und die Flamme stand vor Drakic, der an der Zigarette zog. Auch sein Gegenüber rauchte jetzt, die anderen nicht. Eine Flasche ohne Etikett wurde von jemandem aus dem hinteren Teil des Raumes auf den Tisch gestellt, zwei Gläser wurden gefüllt. Drakic und der andere hoben die Gläser und tranken sie in einem Zug aus. Drakiõ steckte die Fotos ein, stand auf und murmelte seinen Gruß. So unfreundlich wie am Anfang wurde er erwidert. Die Tür wurde geöffnet und hinter ihm wieder geschlossen. Drakic ging die Holztreppe hinunter, der Hüne am Eingang öffnete die Tür, und Drakic verließ das Haus, bog nach links in die Gasse ab und ging schnellen Schrittes auf die beleuchtete Querstraße zu.
    Als er in den Mercedes stieg, merkte er, daß sein Hemd unter dem Jackett schweißdurchtränkt war. Erst auf der Landstraße schob er die Beretta 100 unter das Armaturenbrett zurück. Noch vor Mitternacht war Drakic zurück in Triest.

Triest, 20. Juli 1999
    »11. September 1977: Ich habe Angst. Er wird immer schlimmer. Ich schließe dieses Tagebuch jetzt weg. In das Geheimfach meines Schreibtisches. Eines Tages wird es jemand finden und an mich denken. Ich kann nicht mehr.«
     
    Dies war der letzte Eintrag, den Elisa de Kopfersberg vor zweiundzwanzig Jahren in ihr Tagebuch geschrieben hatte. Proteo Laurenti hatte kaum geschlafen in dieser Nacht. Auch Livia nicht, seine schöne Tochter. Sie hatte sich in ihrem Zimmer an den Computer gesetzt und damit begonnen, die kopierten Tagebucheintragungen der Elisa de Kopfersberg vom Deutschen ins Italienische zu übersetzen, was nicht besonders schwierig für sie war. Elisa de Kopfersberg verfügte über eine gestochen klare Handschrift und bediente sich kurzer Sätze. Das Wörterbuch, das auf ihrem Schreibtisch neben dem Computer lag, mußte Livia kaum verwenden. Sie war schon mit mehr als der Hälfte fertig, als ihr Vater kam. Er setzte sich auf ihr Bett und las die ausgedruckten Seiten. Irgendwann stand er auf, trat neben sie und legte seine Hand auf ihre Schulter.
    »Danke, Livia. Hör jetzt auf. Das hast du sehr gut gemacht.«
    Livia freute sich über das Lob. Endlich gab es wieder eine Brücke zwischen ihnen.
    »Es ist schade, daß du keine vereidigte Übersetzerin bist. Mir hast du viel geholfen«, sagte Proteo. »Für einen Richter braucht das einen Stempel. Du solltest dich bald darum bewerben. Für dieses Mal werde ich dich bezahlen. Denk dir etwas Schönes aus.«
    »Ärgere dich bitte nicht mehr über mich, Papà«, sagte Livia und drückte seine Hand. »Ich wünsche mir nur, daß du zur Miss-Wahl kommst. Ich würde mich sehr darüber freuen. Ich mach das hier jetzt fertig, geh du schlafen. Ich lege die Seiten dann später auf den Küchentisch.«
    Proteo trank in der Küche noch ein Glas Grappa und ging dann leise ins Schlafzimmer, um Laura nicht zu wecken.
    Er war früh im Büro an diesem Sonntag morgen. Es war der große Tag in San Daniele, wo er nicht fehlen durfte. Aber er hätte nicht losfahren können, ohne zuvor die Fakten noch einmal vor sich auszubreiten und sie mit jemand anderem zu besprechen. Er hatte den armen Sgubin angerufen, ihn geweckt und ihm gesagt, er bräuchte ihn dringend. Sgubin fluchte, seit drei Tagen hätte er schon freigehabt, als Ausgleich für den Schichtdienst. Aber sein Pflichtbewußtsein überwog. Er kam kurz nach acht ins Kommissariat, war unrasiert und hatte dicke Ränder um die Augen. Laurenti gab ihm die letzten Seiten der Übersetzung von Elisas Tagebuch zu lesen, und Sgubin schaute ihn fragend an.
    »Sgubin, das war mein erster Fall, den ich selbstständig bearbeiten

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