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Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod

Titel: Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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den Dienst versagte. Die Tankanzeige stand noch immer auf Viertel voll. Laurenti fluchte laut. Wenn, dann ging alles auf einmal schief. Tage, die beschissen anfingen, gingen beschissen weiter. Laurenti schob den Motorroller in die Gegenrichtung, er könnte ihn ohne Motor die Straße hinunterrollen lassen, auch gegen die Fahrtrichtung der Einbahnstraße. Kurz vor der Libreria Einaudi war eine Tankstelle, die hoffentlich geöffnet war. Die entgegenkommenden Autos hupten. Ihm war das egal. Wenig später verstellte ihm die Besatzung eines Streifenwagens den Weg. Die Tankstelle war bereits in Sicht. »Auch das noch«, fluchte er, doch die Beamten winkten, als sie den Commissario erkannten, und gaben den Weg frei.
    Sechs Liter paßten in den Tank, zwölftausendachthundert Lire. Doch als Laurenti seine Brieftasche suchte, war sie nicht mehr in seiner Hosentasche. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, große dunkle Flecken bildeten sich auf seinem blauen Hemd. Er erinnerte sich, daß er die Brieftasche auf seinem Schreibtisch hatte liegen lassen, zur Erinnerung, damit er nicht vergaß, sich um seinen Ausweis zu kümmern. Wie ein kleiner Junge stand er vor dem Tankwart und stammelte, daß er sein Geld vergessen habe und am Nachmittag wiederkommen wolle und bezahlen würde. Versprochen!
    »Da kann ich ewig warten«, maulte der Tankwart. »Der Roller bleibt hier stehen, oder ich rufe die Polizei. Geben Sie mir den Schlüssel.«
    »Ich bin die Polizei«, schrie Proteo.
    »Ach ja? Zeigen Sie mir Ihren Ausweis!«
    »Porcaputtana, ich habe doch gesagt, er ist da, wo das Geld auch ist!« Laurenti suchte am Lenker nach dem Anlasserknopf. »Vertrauen, mein Freund, man muß die anderen nicht gleich terrorisieren!«
    »Jetzt reicht’s!« Den Tankwart überkam der Zorn. Er rüttelte heftig an der Vespa, als Proteo zu starten versuchte. Proteo war vor Wut ganz weiß im Gesicht, er hatte den rechten Arm gehoben und die Faust zum Schlag geballt. Doch der Tankwart ließ nicht los. Sie schauten sich wütend an.
    »Das ist doch der aus der Zeitung!« Ein zweiter, älterer Tankwart war hinzugekommen. »Wart mal!« Er ging in das Kassenhäuschen und kam mit dem »Piccolo« zurück. Mit dem Finger deutete er auf das Foto.
    Laurenti war am Ende. Da stand er nun mit dem Motorroller seines Sohnes, und plötzlich fiel ihm auch noch ein, daß er seit drei Tagen mit dem unversicherten Gefährt unterwegs war. Wie hatte ihm das entgehen können! Für einen Augenblick nahm er die anderen nicht mehr wahr, dann kamen die Stimmen der Männer wieder näher. Beide hatten ihm die Rücken zugekehrt, blickten in die Zeitung und kommentierten den Artikel. Proteo überlegte kurz, ob er einfach abhauen sollte.
    »Laß ihn fahren. Der hat genug am Hals«, sagte der ältere Tankwart. »Wann bringen Sie das Geld?«
    »Sobald ich kann«, sagte Laurenti, ließ den Motorroller an, der stotterte, bis die Luft aus dem Vergaser gewichen war, und machte sich grußlos davon. Er mußte jetzt sehr vorsichtig fahren, es durfte ihm auf keinen Fall etwas passieren. Und er fuhr noch hundert Meter weiter gegen die Einbahnstraße.
     
    Proteo Laurenti wurde durch die Stimmen Lauras, der Kinder und seiner Mutter geweckt, die aus San Daniele zurückgekommen waren. Er hatte sich, nachdem er endlich die Wohnung erreicht hatte, geduscht und im Morgenmantel auf das Sofa im Wohnzimmer gelegt. Zum Einschlafen hatte er noch einen Blick in die Zeitung geworfen, ein todsicheres Schlafmittel.
    Er war in einen traumreichen Schlaf gefallen. Tatjana Drakic tauchte darin auf, die beiden Kopfersberg, Lilli, seine Mutter und der häßliche Tote von Montebello, mit dem durch den Kopfschuß zersprengten Schädel und dem ausgelaufenen Hirn, an dem der Hund genagt hatte. Und immer wieder die Villa, Tatjana am Pool und viele hübsche, blonde und nackte Mädchen mit slawischen Gesichtszügen. Die Zeitung lag noch über seinem Körper, er hatte sie nicht ganz losgelassen, als er eingeschlafen war. Wie lange hatte er geschlafen? Er hatte Durst und fühlte sich zerschlagen. Langsam setzte er sich auf, stützte sein Gesicht in beide Hände, rieb sich die Augen, gähnte lange und stand dann auf. Plötzlich flog die Tür zum Wohnzimmer auf.
    »Papà?« Sein Sohn Marco war erstaunt, seinen Vater zu Hause anzutreffen.
    »Ciao, Marco«, Proteo freute sich. Seine Familie war wieder da. »Seid ihr endlich zurück.«
    »Ja und nein«, sagte Marco, »ich hole nur mein Badezeug und gehe gleich schwimmen. Wo ist der

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