Heinichen, Veit - Proteo Laurenti 01 - Gib jedem seinen eigenen Tod
Die Fotos fügte er als Rechtecke neben die Villa ein.
»Der Anruf«, sagte Marietta. »Hat dir der Questore nicht gesagt, daß der Präsident der Schiffahrtsvereinigung sich schon am zweiten Tag nach Kopfersberg erkundigt hatte?«
Laurenti dachte einen Augenblick nach, nickte und sagte zögernd: »Und Cardotta hat Samstag früh angerufen. Der Vorsitzende der FI.«
»Das hast du bisher noch nicht erzählt«, sagten Marietta und Sgubin gleichzeitig. Sgubin malte weitere Kreise auf das Blatt.
»Und was wollte er?«
»Druck machen wegen Kopfersberg. Er sei wichtig für die Stadt, wegen der Türkei-Hilfe, die über die TIMOIC läuft.«
»Glaubst du wirklich, daß da ein Zusammenhang besteht?« fragte Marietta.
»Keine Ahnung!« Laurenti zog die Mundwinkel nach unten. »Auffallend ist das schon. Schreib bei der Villa die Namen hin, Sgubin, und mal noch einen Kreis für die Firma mit Eva Zurbano und mit Viktor Drakic.«
Sgubin holte ein neues Blatt und übertrug sein Geschmiere jetzt lesbarer in die Mitte der leeren Seite. Dann zerknüllte er das alte und warf es in weitem Bogen Richtung Papierkorb, den er knapp verfehlte.
»Decantro nicht vergessen«, sagte Sgubin und ergänzte das Blatt.
»Und«, Laurenti zögerte, stand auf und schloß die Tür zu seinem Büro. »Was ich jetzt sage, bleibt absolut unter uns. Kein Wort nach draußen, Sgubin. Es ist nicht sehr schön und ist vielleicht auch falsch: Fossa!«
Sgubin war zusammengezuckt und schaute ihn mit offenem Mund an.
»Fossa?« Er sprach den Namen gedehnt und sehr langsam aus.
»Ja, Fossa könnte etwas mit der Villa in der Via dei Porta zu tun haben. Könnte! Wie gesagt, ich habe keinen genauen Anhaltspunkt und bin mir darüber im klaren, daß es sehr gewagt ist, einen Beamten wie Fossa zu verdächtigen. Er steht kurz vor seiner Pensionierung, ist seit was weiß ich wie viel Jahren Leiter des Streifendienstes, wird von allen respektiert, vielleicht sogar verehrt, und dennoch paßt mir eine Sache nicht: Wenn er die Schicht führte, ist die Polizei nie eingeschritten, wenn sich die Nachbarn in der Via dei Porta beschwerten. Man hat zwar die Anzeigen aufgenommen, aber nie jemand geschickt. Und er hatte mir versprochen, daß Decantro mit zwei zuverlässigen Männern fährt. Vicentino und Greco hat er mir wärmstens empfohlen.«
»Die?« Sgubin verzog das Gesicht. »Das sind ›pezzi di merda‹! Warum hat er das gemacht? Und warum hast du mir nichts gesagt? Ich hätte Decantro übernehmen können.«
»Du kannst nicht überall sein, Sgubin«, sagte Marietta.
Sgubin malte zögerlich und mit dünnem Strich ein sehr klein geratenes »F.« auf das Blatt, dann verband er die Kreise mit weiteren Linien. Und dann schüttelte er den Kopf.
»Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Fossa!« Er schaute zweifelnd in die Runde.
»Ich mir auch nicht, Sgubin«, sagte Laurenti, »aber sag mir, warum er mir die Sache mit Decantro vermasselt hat! Ich kann im Moment überhaupt nichts mehr ausschließen. Und, verdammt noch mal, behaltet das für euch. Wirklich, schwört mir, kein Wort nach draußen!«
Marietta hob die Hand, Sgubin nickte. Sie schwiegen einen Augenblick. Dann betrachtete Laurenti noch einmal das Blatt.
»Da ist außerdem Romano Rossi«, er schrieb den Namen auf eine freie Stelle zwischen den Kreisen für die Villa und die Firma.
»Wer?« fragten Marietta und Sgubin wie aus einem Mund.
»Romano Rossi! Hab ich doch erzählt!«
»Und wer ist dieser Rossi?« fragte Marietta.
»Meine Mutter hat Rossi am Freitag Abend identifiziert. Er wohnt im ›Duchi d’Aosta‹, und ich vermute, daß es nicht sein richtiger Name ist. Sgubin, ich dachte, ich hätte dich nach ihm gefragt. Er hat Eva Zurbano getroffen. Und vorhin haben sie den jungen Kopfersberg am Hafen abgeholt. Ich war selbst dort.«
Sgubin warf den Stift auf den Tisch und wollte sich entrüsten. Doch Marietta war schneller.
»Nichts gegen deine Mutter«, sagte Marietta, »aber so geht es nicht! Wir könnten vielleicht längst wissen, wer Rossi ist, wenn du etwas gesagt hättest. Im richtigen Moment reden hat noch nie geschadet!«
»Ist ja gut!« Laurenti hob die Hand. »Es ist eben ein bißchen viel gewesen in der letzten Zeit. Zuviel für so wenige Tage. Mir ist einiges durch die Lappen gegangen.«
»Ich mache mich gleich auf die Suche nach Romano Rossi. Das hätte ich aber wie gesagt auch schon am Samstag tun können. Dann wären wir jetzt schlauer. Schauen wir doch, was der Computer hergibt,
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