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Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Heinrich Mueller 01 - Salztraenen

Titel: Heinrich Mueller 01 - Salztraenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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und beinahe schon rief: »Das werden wir gleich den Eichenberger fragen.«
    »Nicht so hastig«, wandte Ramseier ein, »wie ich schon sagte: Arbeit, Liebe, Familie. Von heute an in der korrekten Reihenfolge!«

Sonntagnachmittag, 24.9.2006
    Der Störfahnder Bernhard Spring und sein Berner Polizeiautofahrer waren inzwischen beim Bären angekommen, Müller und Himmel stiegen zu, und die rasende Fahrt in den Schattgraben konnte beginnen. Die Sirene des Polizeiwagens verschreckte die Kühe im Tal, die solch wabernde Echoschreie nicht gewohnt waren. Der Wagen verschreckte bestimmt auch eine Menge von Leuten, die links und rechts der Talstraße wohnten, während er über die letzten liegen gebliebenen Blumen von der Alpabfahrt preschte.
    Dunkle Wolken erweckten einen noch düstereren Eindruck vom Schattgraben, als er ohnehin schon bot. Da außer ihnen niemand unterwegs war, gab es auch keinen Grund, die Geschwindigkeit zu drosseln. Nur die Abzweigung von der Straße auf die Wildenalp hatte sie zu einem kurzen Bremsen veranlasst. Der Wagen brauste am Minger-Denkmal vorbei, der Luftzug wehte die ersten Herbstblätter von den Bäumen auf das Haupt des BGB-Bundesrats.
    Nach der letzten Kurve vor der Käserei trat der Polizist unvermittelt auf die Bremse, so hart er konnte. Das Auto schlingerte, die Sirene seufzte, die Menschen wurden nur noch durch den trägen Widerstand der Gurte in ihren Sitzen gehalten. Dann stand der Polizeiwagen. Die Pneus rauchten.
    Zwanzig Zentimeter vor der Kühlerhaube erhob sich eine massige Sperre aus Emmentaler-Laiben aus der Felsenhöhle, die zu einer beinahe drei Meter hohen Wand aufgetürmt waren, sodass der Blick nicht weiter als bis zu den gräulich-braunen Käsen reichte. Aber nicht alle lagen so sicher, dass ein Stoß sie nicht ins Wanken gebracht hätte. 100 Kilo Hartkäse wären selbst für den stärksten Bernerschädel zu viel.
    »Das war knapp«, flüsterte Spring mit heiserer Stimme, und man wusste ob der lakonischen Aussage nicht, ob Emmentaler-Straßenbarrikaden zu seiner Alltagserfahrung gehörten oder ob er derart verblüfft war, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte. Alle vier stiegen leicht benommen aus dem Auto. Sie konnten eine leise Bewunderung für die Käse-Mauer nicht unterdrücken. Aber nach dem ersten Schock drängte Müller zur Eile.
    Sie rannten die letzten 100 Meter zur Käserei. Auf den Treppenstufen saß Ursula Eichenberger, heulend.
    »Was ist passiert?«, riefen alle durcheinander.
    »Mein Sohn«, schluchzte die unscheinbare Frau, und dann: »Mein Mann.«
    »Wo!«, schrie Spring sie an.
    »Oben«, presste sie hervor, und: »In der Schlucht.« Dabei zeigten ihre beiden Arme in verschiedene Richtungen.
    Spring und Müller rannten die Treppe hoch, während Nicole versuchte, die Käsersfrau zu beruhigen. Der Polizist bestellte ein Krankenauto, einen weiteren Einsatzwagen und die Spurensicherung, die sich nach dem anstrengenden Morgen einen Schoppen im Ochsen Lützelflüh gönnte und nur noch bedingt einsatzfähig war.
    Spring stieß im Dachgeschoss an eine verschlossene Tür. Er stemmte sich mit der Schulter dagegen, aber sie wollte nicht nachgeben. Müller, der hinterher gehastet war, überließ die Knochenarbeit dem Jüngeren, der außerdem als Polizist für diese Aufgabe besser bezahlt war. Es brauchte drei Anläufe, bis das Holz nachgab und vom Schloss wegsplitterte.
    Dann standen die beiden im Dachboden. Das hohe Walmdach hätte architekturliebende Menschen in seiner Konstruktion begeistert, wenn nicht an einem der Dachträger, von dem ein Querbalken zur Verstärkung des Walmdachsparrens abging, ein Mann gehangen hätte: Beat Eichenberger in der Position des Gekreuzigten, die Handgelenke um den Balken gebunden, den Hals in einer Schlinge, den Kopf schlaff über der eingesunkenen Brust.
    Da blieb nichts mehr zu tun.
    Unten auf dem Bretterboden lag ein handgeschriebener Zettel mit einer letzten Botschaft: »Würden nur die in Werk und Tat vollkommenen Menschen errettet, wäre das Paradies ein öder Ort und das ewige Leben ein leeres Versprechen. Wir alle werden aber errettet durch das Blutopfer auf Golgatha, durch Jesus Christus’ einzigartige Botschaft, mit der er uns unsere Sünden vergibt. Keiner wird ohne Fehl durchs Leben gehen. Auch ich habe gesündigt. Nun büße ich wie der Sohn Gottes.«
    Ob diese Zeilen dem Sinn der biblischen Botschaft entsprachen oder zusammen mit dem inszenierten Selbstmord eher an Blasphemie grenzten, wagte Müller nicht zu

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