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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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Kissen fort, wälzt ihn hin und her. – Ergebnis: Rrr-ch rrr-ch –
    Sie greift zum nassen Schwamm. Dem Träumer tut die Kühle gut, er kugelt sich auf die andere Seite und schläft erfrischt weiter.
    Frau von Treskow ist der Verzweiflung nahe. »Herbert, der Oberstaatsanwalt«, fleht sie.
    »Oberstaatsanwalt« ist ein Stichwort. Der Mechanismus schnappt auf der Stelle ein. Treskow springt hoch, reißt wild die Augen auf, greift um sich und stolpert in den Flur ans Telephon. Hoffentlich sieht die Billa den Herrn Staatsanwalt nicht im Nachthemd. »Verzeihung, Herr Oberstaatsanwalt … o nein, ich war bereits … Wie meinen? … Danke, nur etwas erkältet … Wie bitte? … Ich verstehe Maulkorb? … Wo? Am Denkmal? … Aber das ist ja un-glaub-lich … Jawohl, selbstverständlich … Ich komme sofort.«
    »Sofort« ist zwar übertrieben. Aber ein toller Tanz geht los. Rasierwasser! Oberhemd! Schuhe! Rasierwasser!! Kragenknopf! Strümpfe! Rasierwasser!!! Billa fliegt, Trude fliegt. Elisabeth fliegt, das Rasierwasser fliegt. Schon sitzt er am Tisch, und während er mit der einen Hand den schwarzen Kaffee trinkt, mit der anderen sich den Kragen zuwürgt, mit der dritten den Schnurrbart bürstet, Elisabeth ihm die Weste knöpft, Trude seinen Nackenscheitel zieht, und Billa ihm die Schuhe anmurkst, erzählt er von dem geschändeten Denkmal.
    Billa sagt: »O Gott.«
    Trude kichert und findet es wahnsinnig komisch.
    Elisabeth nennt es eine Geschmacklosigkeit und muß leise lächeln. Treskow aber ist obenauf und brabbelt während des Ankleidefrühstücks: »Eine dolle Sache – au, nicht so fest! – wenn ich die Bearbeitung kriege, der Ober hat so was angedeutet – wo ist denn die Butter? – also, das wäre geradezu – geradezu – oh, mein Kopf – ist doch mal was anders als der ewige Quatsch, Diebstahl, Betrug, und wenn's hoch kommt, ein bißchen Totschlag – nein, ohne Honig – also, wenn ich das kriege, verdammt noch mal, das ist Politik, Sensation, geht durch die Zeitungen, geht nach oben, nach ganz oben!« Er strampelt vor Freude mit Armen und Beinen und platzt vor Tatendrang und kann es nicht erwarten.
    Merkwürdig übrigens, ihm ist, als habe er in der Nacht irgend etwas geträumt von einem Denkmal oder einem Maulkorb, er weiß nicht recht, streicht sich über die schmerzende Stirn. Natürlich Zufall, vielleicht auch Einbildung. Er glaubt nicht an Träume; aber er nimmt es als gutes Omen.
    Auf der Treppe bindet er, noch auf beiden Backen kauend, die Krawatte und kontrolliert seine Knöpfe. Wenige Minuten später ist er am Tatort.
    ***
    Auf der Weinterrasse bei Tigges am Treppchen, von der man das maulkorbbehaftete Denkmal und den abgesperrten Rathausplatz überblickt, sind die Spitzen der Behörden versammelt; sie erörtern die strategische Lage, empfangen Berichte und erteilen Befehle. Feldherrnhügel.
    Die ersten Maßnahmen sind getroffen, die kriminalwissenschaftliche Untersuchung des Denkmals ist beendet. Man hat lange gezögert und geprüft, ob nichts versäumt ist; dann hat man schließlich den Maulkorb mit Zangen und Pinzetten behutsam von seinem Allerhöchsten Standort abgenommen und in einem feierlichen Etui herbeigebracht. Die Herren drängten sich herum und betrachteten ihn mit scheuer Ehrfurcht. Es ist nichts daran zu sehen. Es ist ein ganz gewöhnlicher, harmloser guterhaltener Hundemaulkorb. Die einen nicken, die andern schütteln den Kopf; sie seufzen ja-ja, sie murmeln nein-nein. Unglaublich!
    Am Fuße des Denkmals hat ein junger, hoffnungsvoller Beamter einen abgerissenen Mantelknopf gefunden. Er wird herumgereicht, geprüft und bewundert; aber es ist ein Knopf wie alle andern. Und trotzdem vielleicht ein unschätzbares Beweisstück. Er wird den Akten einverleibt.
    Von Maulkorb und Mantelknopf ausgehend, wird man den Riesenapparat neuzeitlicher Kriminalistik in Bewegung setzen. Die ungewöhnliche Tat erheischt ungewöhnliche Tätigkeit. Das ist man seinem Vaterland schuldig. Außerdem macht es einen guten Eindruck. Sie stehen mit eisernen, undurchdringlichen Gesichtern, die Herren von der Polizei, von der Regierung, von der Staatsanwaltschaft. Man kann nicht sehen, was sie für Gedanken haben. Vielleicht haben sie alle den gleichen, aber keiner wagt, ihn auch nur zu denken.
    Als Staatsanwalt von Treskow kommt, wenden sich alle Köpfe zu ihm hin. Er fühlt, man hat auf ihn gewartet.
    Der Oberstaatsanwalt reicht ihm die Hand. »Gut, daß Sie kommen, Herr Kollege. Ich habe

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