Heirate mich, Prinzessin!
hast. Mir erschien es an der Zeit, ein paar Dinge zu klären. Er soll mein Kronprinz werden, der zukünftige König. Aber ich hätte nichts dagegen, wenn er auch noch mehr würde.“
Das hieß: ihr Ehemann. Alles in Clarissa krampfte sich zusammen. „Du wolltest uns verkuppeln?“, rief sie entsetzt.
„Ich wollte nur die Gelegenheit ergreifen, dich richtig glücklich zu machen.“
„Und du dachtest, dass ausgerechnet Ferruccio dazu fähig ist?“
„Wer sonst? Oder zumindest jemand wie er.“
„Jemanden wie ihn gibt es nicht noch einmal“, bemerkte sie sarkastisch.
„Genau das finde ich auch.“
„ Dio, padre …“ Clarissa begriff, dass sie und ihr Vater eine völlig unterschiedliche Auffassung von Ferruccios Qualitäten hatten. Es würde ihr nie gelingen, ihm zu erklären, weshalb sie Ferruccio ablehnte. Aber etwas anderes war noch viel wichtiger. Sie musste endlich erfahren, was in Castaldinien vor sich ging.
Ein paar Mal atmete sie tief durch, dann fragte sie: „Vater, sag mir die Wahrheit. Ist unser Land in Gefahr?“
Benedetto zögerte. „Hat Ferruccio dir das erzählt?“
„Sag wenigstens, dass er schamlos übertrieben hat“, bat sie.
„Das kann ich nicht, weil ich nicht weiß, was er gesagt hat“, erwiderte der König. „Aber vielleicht ist es höchste Zeit, dass du alles erfährst.“
„Vielleicht?“, fuhr sie auf. „Weshalb glaubst du, Probleme, die Castaldinien betreffen, vor mir verheimlichen zu müssen? Ich bin erwachsen, habe einen Doktortitel und bin Mitglied des Kronrats. Wie kommst du dazu, mich auszuschließen? Wie ist es dir überhaupt gelungen, die Wahrheit so lange vor mir zu verbergen?“
Er zog eine Grimasse. „Ich bin zwar kein sehr starker König mehr, aber mein Wort hat immer noch Gewicht. Ich habe verlangt, dass dir niemand etwas erzählt.“
„Warum bloß?“, fragte sie entsetzt.
„Weil du immer noch mein kleines süßes Mädchen bist, Rissa. Ich bin dein Vater, und ich habe so viele Fehler gemacht. Doch ich hoffte, alles wieder auf die Reihe zu bekommen, ehe du es bemerkst. Ich hatte solche Angst davor, dass du enttäuscht von mir sein würdest.“
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie lief zu ihm, kniete vor ihm nieder, umarmte ihn und barg ihren Kopf an seiner Brust wie damals in ihrer Kindheit, als er der Einzige gewesen war, bei dem sie Trost gefunden hatte. „Du wirst immer mein Held sein, padre “, schluchzte sie.
Mit seinem gesunden Arm hielt er sie fest und brachte es mit einiger Anstrengung sogar zuwege, ihr mit der anderen, halb gelähmten Hand ein paar Mal übers Haar zu streicheln.
Eine Weile schwiegen sie, genossen einfach die Gegenwart des anderen, doch dann begann der König erneut zu reden. „Es hat alles vor etwa zehn Jahren angefangen. Damals begann ich, Fehler zu machen, Dinge falsch einzuschätzen, innenpolitisch unkluge Entscheidungen zu treffen. Damit habe ich mir nicht nur in Castaldinien, sondern auch über die Landesgrenzen hinaus mächtige Feinde gemacht. Und dann hatte ich den Schlaganfall. Gleichzeitig kam die Weltwirtschaftskrise. Doch das alles ist nur die Spitze des Eisbergs. Du wirst sagen, dass Leandro und Durante die wirtschaftliche Schieflage unseres Landes schon wieder in den Griff bekommen werden, aber es geht um mehr. Als Regenten hätten die beiden nicht die Macht eines Königs. Ohne einen fähigen Kronprinzen und zukünftigen König wird das Land seine Souveränität nicht lange aufrechterhalten können und über kurz oder lang von den Nachbarstaaten annektiert werden. Ferruccio ist der einzige Mann, der genug Finanzkraft und politische Macht besitzt, um Castaldinien zu retten.“
Clarissa lag auf dem Bett, starrte an die Decke und wartete auf die nächste Schockwelle, die nicht lange auf sich warten ließ.
Nach der Unterredung mit ihrem Vater hatte sie eine schlaflose Nacht verbracht. Im Morgengrauen war sie aufgestanden und nervös im Zimmer auf und ab getigert. Jetzt, um zehn Uhr morgens, war sie erschöpft und wusste, dass sie verloren hatte.
Castaldinien war tatsächlich in größter Gefahr.
Noch am Vorabend hatte sie versucht, ihren Vater umzustimmen. Leandro und Durante, so ihre Argumente, seien verpflichtet, die Krone anzunehmen, wenn er es bestimme. Doch König Benedetto hatte abgewunken und erklärt, weshalb die beiden, jeder auf seine Weise, das Ende von Castaldinien in seiner jetzigen Form bedeuten würden. Leandro wegen seiner revolutionären Überzeugungen, Durante, weil er der Sohn des
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