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Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Heiraten für Turnschuhträgerinnen

Titel: Heiraten für Turnschuhträgerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filippa Bluhm
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keine Ahnung hatte, was mit seiner sonst doch eher coolen Freundin los war. Ich wusste es ja selbst nicht. Normalerweise ist er derjenige, der bei Filmen mit Hugh Grant zu heulen beginnt!
    Olga und Andrzej hielten sich ihre Hände aufs Herz. Olga und Andrzej wurden mit einem Schiffstau zusammengeknotet.Olga und Andrzej ließen weiße Tauben in den gellend weißen Himmel steigen. Ich heulte von Neuem los, jedes Mal. Als die Zeremonie vorbei war, drängte ich mich rotzverschmiert an der Schlange der Gratulanten vorbei und fiel Olga in die Arme. Mein Körper zapfte noch mal ein ganz neues Tränenreservoir an und ich schluchzte irgendetwas davon, wie wunderschön es war. Olga bedankte sich in feinstem Sprachschuldeutsch höflich, dass ich gekommen war.
    Es war das Einzige, was wir an dem Tag miteinander sprachen.
    Ein Shuttlebus brachte uns ins Hotel, wo auf der Terrasse das Abendessen stattfand. Im Pool schwammen herzförmige, mit Kerzen dekorierte Blumengestecke, ringsherum waren runde Tische aufgebaut, die mit opulenten Schalen voller tropischer Früchte und prächtiger Orchideen dekoriert waren. Es gab riesige Kerzenleuchter und Tischkarten, in die die Initialen des Brautpaares eingeprägt waren, alles natürlich in Pastellgrün und Pastellblau. Georg und ich hatten an einem der drei Cousinentische Platz zu nehmen, weit weg vom Tisch des Brautpaars und noch weiter entfernt von dem Tisch, an dem meine Eltern saßen. Ich kannte niemanden, Georg erst recht nicht, und es fiel uns sehr schwer, so zu tun, als hätten wir gute Laune. Zuerst wurde ein Laib Brot herumgereicht, den jeder Gast küssen musste, um anschließend ein Glas Wodka zu trinken und das Glas mit lautem Klirren hinter sich zu werfen. Weil der Cousinentisch ganz hinten war, war der Laib, als er bei uns ankam, bereits feucht von der Spucke der weltweiten Verwandtschaft. Danach gab es einen Toast, danach Essen, nach dem Essen noch mehr Essen, zwischendurch immer wieder Wodka und Cocktails, wahlweise mit Midori-Melonenlikör oder Blue Curaçao. Es gab eine Filmvorführungim Cinemascope-Format und eine Tanzkapelle mit fünf Musikern und zwei singenden Frauen. Gegen Mitternacht wurde eine dreistöckige Buttercremetorte auf die Terrasse gefahren, auf deren oberster Etage Olga und Andrzej aus feinstem Zuckerguss nachgebildet waren. Es gab immer noch mehr Wodka, und als ich irgendwann meine flache Hand auf das Glas legte und mit schwerer Zunge Nie dziękuję – nein danke – stammelte, sah mich meine Verwandtschaft zum ersten Mal an diesem Abend an. Und zwar nicht gerade voller Verständnis. Um Mitternacht wurde ein Feuerwerk gezündet, das einer Stadt wie Hattingen alle Ehre gemacht hätte. Über die Farben, in denen es gehalten war, muss ich nichts sagen, und es war lang, sehr lang. Ich glaube, ich war die Einzige, der das so vorkam, denn als ich mir zwischendurch zehn Minuten lang die Nase pudern ging und wieder auf die Terrasse kam, machte die Verwandtschaft immer noch Ah! und Oh!. Dann begann die Tanzkapelle wieder zu spielen und hörte nicht mehr auf. Als wir uns davonschleichen wollten, fielen uns Menschen, die wir nie zuvor gesehen hatten, in die Arme und boten uns Wodka an. In diesem Moment fühlten wir uns sehr, sehr deutsch, nicht zum ersten Mal an diesem Tag. Zurück auf unserem Zimmer waren Georg und ich so angespannt, dass wir, statt ins Bett zu gehen, alle Wodka-Fläschchen aus der Minibar tranken. Danach rannte ich aufs Klo und kotzte die Torte aus. Die Buttercreme, die in der Schüssel schwamm, war pastellgrün und pastellblau.
    »Wenn deine Mutter ihre Geschwister einlädt, dann kommen auch sämtliche Cousins, Cousinen und Großtanten«, sagt Georg und schließt die Augen.
    »Und sie wird todbeleidigt sein, wenn deine Verwandtschaft kommen darf und ihre nicht.«
    »Mist, daran hab ich echt nicht gedacht.«
    Ich sehe ihn vorwurfsvoll an.
    »Sie werden wahrscheinlich dieselbe Show erwarten wie bei deiner Cousine«, sagt er langsam.
    »Wir sind Deutsche, sie werden eine Steigerung erwarten.«
    »Eine fünfstöckige Torte.«
    »Die Kelly Family.«
    »Gastgeschenke in der Farbe des Brautstraußes.«
    »Eine Pferdekutsche und einen ganzen Schwarm weißer Tauben.«
    »Sie werden Champagner erwarten.«
    »Und Wodka.«
    »Den besten.«
    »Und reichlich.«
    »Sie werden uns die Haare vom Kopf saufen, verdammt!«
    »Und sie werden davon ausgehen, dass wir das Hotel bezahlen.«
    Georg sieht mich an, ich sehe Georg an. Wenn das hier ein Film wäre, würde

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