Heiraten für Turnschuhträgerinnen
hier.«
»Charlotte, du musst jetzt ganz tapfer sein und dann auf den Pfeil klicken.«
»O nein!«
»Doch.«
»Nein!«
»Ist wohl so.«
»Neeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!«
Georgs Mund geht gar nicht mehr zu. Er klickt auf »Lupe« und fährt damit die Säume ab, den Kragen, die Ärmel.
»2000 Euro? Aber wofür?«
»Ich weiß nicht.«
»Also wirklich, das ist doch der allergrößte Schwachsinn! Da sollen Bräute erst tausend Euro dafür ausgeben,dass sie nicht einfach nur ein weißes Kleid bekommen, sondern Perlenstickereien und Reifröcke und Tüll und was weiß ich. Und dann kommt so eine irrsinnige Jungdesignerin daher und verlangt noch mal tausend Euro extra, nur dafür, dass sie den Glitzerkram weglässt und aus dem Kleid wieder ein einfaches, weißes Kleid macht?«
»Nein, sieh doch hin, das ist natürlich ein Brautkleid!«
»Ist es nicht.«
Ich schweige beleidigt, Georg nimmt meine Hand und seufzt vernehmlich. Eine halbe Minute lang rührt er sich nicht, dann seufzt er noch einmal.
»Hat diese Designerin keine anderen schönen Kleider, die vielleicht ein bisschen günstiger sind?«
»Die anderen sehen aus wie aus Alice im Wunderland . Bisschen sehr skurril.«
»Okay. Also. Liebste Charlotte. Wenn du dieses Kleid wirklich möchtest, dann kaufen wir es dir.«
»Ich weiß nicht«, sage ich mit jammernder Stimme.
»Doch! Ich will, dass du an unserem Hochzeitstag wunderschön und glücklich bist.«
»Wirklich?«
»Wirklich!«
»Wartest du mal kurz?«
Ich lasse ihn stehen und renne ins Schlafzimmer. Ich springe aufs Bett und hüpfe wie verrückt auf und ab. Dann stelle ich mich vor den Spiegel, streiche mir die Locken aus dem Gesicht, atme tief durch und gehe zurück nach nebenan, zu meinem künftigen Ehemann.
»Wohin gehen wir denn?«, will Lala wissen.
Ich setze die Sonnenbrille auf und grinse.
»Siehst du schon noch!«
»Nun sag schon!«
»Nö!«
»Kannst du in den Schuhen überhaupt gehen?«
»Klar«, sage ich, obwohl Lala da einen empfindlichen Punkt berührt – ich habe das Gefühl, dass ich mir in diesen blöden Pumps die Ferse aufscheuere. Aber was soll’s, es ist Frühling, die Bäume grünen, und an der Crellestraße sitzen schon die ersten Menschen vor den Cafés in der Sonne. Ich habe gute Laune, ich habe Lust zu laufen, und außerdem habe ich Georgs Kreditkarte dabei. Nicht geklaut – er hat sie mir gegeben! Bis 2000 Euro darf ich hochoffiziell ohne zu zögern gehen. Und Lala, die Gute, sie ahnt nichts.
»Wie lange müssen wir denn noch laufen?«
»Nur noch bis zur Hauptstraße und dann rechts.«
Ich kann gar nicht aufhören zu grinsen. Wir biegen in eine kleine Seitenstraße ein, und jetzt ist endlich das Schild zu lesen: Marlene Marc – Bridal Fashion .
»Du spinnst!«, ruft Lala, als sie das Schild sieht. »Du willst doch wohl nicht etwa …«
Ich stoße die Ladentür auf, ein leises Klingeln ertönt. Eine Frau, die ungefähr 25 ist, aber noch weniger wiegt, kommt aus dem Hinterzimmer und stakst uns in hohen Schuhen entgegen. Sofort vergesse ich meine aufgescheuerte Ferse, so froh bin ich, dass ich nicht in Turnschuhen gekommen bin.
»Hallo! Kann ich euch helfen?«
»Ich denke schon!«
Ich beschreibe das Kleid aus dem Internet und sage, dass ich es gerne anprobieren würde. Sie braucht ganz schön lange, bis sie kapiert, welches ich meine. Dabei hängen an der einzigen Kleiderstange in dem sonst völlig leeren Laden allenfalls zwanzig Fummel.
»Ach, Sie meinen das Petit Jardin! Welche Größe brauchen Sie denn?«
»M, eventuell eins größer.«
»L führen wir nicht«, sagt sie mit einem Gesicht, als hätte ich sie nach einem Latextanga gefragt.
»Also gut, dann eben M.«
Das Kleid sieht wirklich traumhaft aus, wie es da am Bügel hängt. Noch schöner als auf den Fotos im Netz. Der Stoff ist ganz leicht, und sofort sehe ich mich wieder damit über eine Wiese wehen. Eine Kreuzfahrt käme bestimmt auch gut damit. Eine Gartenparty mit Hollywoodschaukel. Es wirkt nur ein bisschen, na ja, schmal . Ich schiele auf das Etikett, aber die Größe stimmt. Hm. Vielleicht nur der Schnitt.
»Die Umkleide ist dahinten …«
Ich sehe mich nach Lala um, aber die signalisiert mir mit einer Kopfbewegung, dass sie draußen auf mich warten wird. Ich verschwinde in der Kabine.
»Lotte? Na, wie ist es?«
»O Gott, da bist du ja endlich. Komm bitte mal rein, aber vorsichtig!«
Meine Stimme klingt gepresst, weil ich Angst habe, zu tief einzuatmen und
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