Heiraten für Turnschuhträgerinnen
Brautmütter, für Blumenkinder und für Brautjungfern, mit Kleidern, die eigens dazu designt sind, dass später auf den Hochzeitsbildern die gesamte Freundinnenschar im Hintergrund farblich und stilistisch aufeinander abgestimmt ist. Ich kichere – all meine Freundinnen in pastellgrünem Satin und mit pastellblauen Schleifen, Olga würde blass werden vor Neid. Vermutlich würde sogar Lala kotzen. Die Brautmuttermode würde zumindest meiner Mama gefallen – die Damen sehen allesamt so aus, als gingen sie nicht in die Kirche, sondern zu ihren Logenplätzen in der Mailänder Scala.Dazu muss man wissen, dass meine Mutter sich schon zu Essenseinladungen bei Freunden aufbrezelt wie Joan Collins. Ist vermutlich immer noch der Nachholbedarf aus den Jahrzehnten im polnischen Sozialismus. Ich speichere sicherheitshalber den Link.
Die Farben der Saison heißen: Nude, Puder, Creme, Off-white, Champagner, also Farben, die man früher unter Eierschalenfarben oder Wollweiß hätte laufen lassen. Ich stoße auf Bridal-Haarpflege-Sets, perlenbesetzte Krönchen und jede Menge Zeug, das gut auf einen Christbaum passen würde, aber doch nicht in meine Locken! Es gibt sechzigtausend unterschiedliche blaue Strumpfbänder und massig Satin- und Netzhandschuhe, mit und ohne Finger.
Einen Riesenmarkt scheint es rund um Braut-Nachtwäsche, Braut-Mieder, Braut-Strapse und Braut-Korsagen zu geben, wobei ich mir nicht sicher bin, wo da genau die Unterschiede liegen. Sicher ist nur: Das Zeug darf auf gar keinen Fall sexy oder süß sein, sondern muss unbedingt so aussehen, dass der arme Bräutigam in der Hochzeitsnacht glauben muss, sich keine treue Gattin, sondern irgendeine Laufhaus-Sandy geangelt zu haben. Ich persönlich kann mir ja nicht vorstellen, dass ein normales Brautpaar nach dem Trauung-Sektempfang-Kuchentafel-Menü-Schnapsrunden-Tanz-Marathon auch noch zu so etwas wie Sex in der Lage sein soll – es sei denn, es kennt sich erst seit vier Wochen. Sehr viel wahrscheinlicher ist doch, dass einen die letzten Gäste aufs Hotelzimmer tragen und mit Schuhen quer überm Bett deponieren.
Ich klicke und klicke weiter, aber auf Seite 24 der Trefferliste wird mir klar: Es gibt keine einfachen, kurzen Brautkleider. Wenn, dann sehen sie wie das Vokuhila-Kleid aus, das Stephanie Seymour im Guns-N’-Roses-Video zu »November Rain« getragen hat – vorne kurz, hinten lang,ein Look, der allenfalls für eine Friseusen-Hochzeit geht. Oder sie haben Schleifen in einer Größe, die leitende Angestellte normalerweise verwenden, wenn sie wegen ihrer »Sekretärin« und der vielen »Überstunden« ein schlechtes Gewissen haben und ihren Gattinnen zum Vierzigsten einen neuen kleinen Flitzer spendieren. Nichts, um damit später noch mal auf eine Grillparty zu gehen. Es sei denn, man kann sich die Schleife als Lätzchen um den Hals binden.
Ich mache noch einen allerletzten Klick – und falle fast in Ohnmacht vor Glück.
»Lala? Ich bin’s, Lotte! Bist du wieder zu Hause? Sitzt du grad am Computer? Gut, pass auf, ich schick dir mal schnell eine Mail.«
Ich sage nicht, worum es geht. Ich sage überhaupt nichts. Ich warte nur darauf, am anderen Ende der Leitung ein leises Pling zu hören.
Pling!
»Und jetzt halt dich fest und klick auf den Link!«
Es dauert eine Sekunde, und ich höre, wie Lala nach Luft ringt.
»Lotte!«
»Na, was sagst du?«
»Das ist ja ein Traum .«
»Nicht wahr?«
Gemeinsam betrachten wir das Bild von einem Mädchen, das lässig an einer Eistheke lehnt. Das Kleid ist wunderschön, einfach geschnitten, in einem Weiß, das schon fast ins Sonnengelb geht, mit einem feinen Chiffonstoff, der schlicht über einem genauso schlichten Unterkleid liegt. Es hat eine Art V-Ausschnitt, ganz kurze Ärmelchen und geht bis knapp übers Knie. Ich stelle mir vor, wie ich damit über eine grüne Wiese springe. Ich stelle mir vor, wieich damit am Schönhagener See stehe. Ich stelle mir vor, wie ich darin meine Hand in Georgs lege.
»Lotte, dieses Kleid ist wie für dich gemacht, darin wirst du wundervoll aussehen!«
»Meinst du wirklich?«
»Ja! Ich kann nur dummerweise gar keinen Preis entdecken!«
»Na ja, weißt du, das ist kein Online-Shop, sondern nur die Website von so einer jungen Brautmoden-Designerin in Schöneberg, ich schätze, man muss da einfach mal vorbeigehen und …«
»Lotte?«
»Was?«
»Siehst du diesen kleinen Pfeil rechts unten?«
»Nein, welchen Pfeil?«
»Er ist ganz klein, schau genauer hin.«
»Ah,
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