Heirs of Kilronan 01 - Geheimnisvolle Versuchung
Amhas-draoi alles zu gestehen. Er wollte selbst zu ihnen gehen, aber die anderen – vielleicht ahnten sie etwas –, ließen ihn nicht aus den Augen. Er konnte sich nicht lange genug entfernen, um seine Informationen abzuliefern. Deshalb schickte er mir alles und bat mich, an seiner Stelle hinzugehen.«
»Und hast du es getan?«
»Aye. Und dabei fiel ich Scathach in die Hände. Ich habe ihr alles erzählt, was ich wusste, und noch mehr.«
»Und?« Aidan glaubte zu wissen, wohin diese Erzählung führte, und fürchtete ihr Ende.
»Und aus Angst um mein Leben, als ich zwischen den erhobenen Schwertern der Bruderschaft stand, habe ich die Informationen einfach als die meinen ausgegeben. Deshalb hat man mich verschont.«
»Aber die Neun wurden hingerichtet.« Aidans Stimme enthielt jetzt eine Härte, die Daz nicht entging.
»Brendan entkam«, flüsterte er. »Er hat überlebt. Du hast es selbst gesagt.«
»Als Gejagter.«
»Aber solange es Leben gibt, gibt es auch Hoffnung«, sagte er mit dem Eifer eines Mannes, der nach jedem Strohhalm greift.
Aidan unterdrückte das Bedürfnis, dem alten Mann den ernsten Ausdruck aus dem Gesicht zu schlagen. Er hatte ihn die Hölle durchmachen lassen. Er hatte jedes Bild zerschlagen und jede Erinnerung beschmutzt, die Aidan von seinem Bruder gehabt hatte. Und jetzt kam die Wahrheit heraus. Eine Wahrheit, die fast ebenso schmerzhaft war wie die Unwahrheit.
Brendan verraten. Brendan gejagt. Brendan ein unschuldiges Opfer des blinden Eifers der Amhas-draoi!
Aidan ballte die Hände zu Fäusten, um sie Daz nicht um den Hals zu legen. Die Enge in seiner Brust stieg höher, bis sie ihm den Schädel zu zerquetschen drohte. Ein wahnsinniger Zorn brodelte ganz dicht unter der Oberfläche. »Weißt du, was du getan hast? Sie suchen ihn selbst heute noch. Sie glauben, er steckte hinter dieser Kreatur, die sich Lazarus nennt. Sie denken, er versuchte, die Neun und ihr Netzwerk der Abtrünnigen wieder aufzubauen«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Falls sie ihn finden, bevor wir es tun, werden sie ihn töten und dann erst Fragen stellen.«
Daz sackte buchstäblich in sich zusammen vor Kummer und vor Schuldbewusstsein. »Meine Schuld. Das alles ist nur meine Schuld. Die Neun sind nicht mehr. Die Neun sind tot.«
Verdammt, dachte Aidan. Er hatte es zu weit getrieben und ihn verloren. »Daz!«
Aber es war zwecklos. Daz hatte sich zu wiegen begonnen wie ein Kind und hörte nicht auf, vor sich hinzumurmeln: »Die Neun sind tot. Sie sind nicht mehr. Alles ist vorbei. Alles ist zerstört. Der König wird nie wieder zurückkehren.«
Aidan stapfte im Zimmer auf und ab und klopfte sich nervös auf seinen Schenkel, während er fieberhaft überlegte. »Wenn Brendan die Neun verraten hat, kann nicht er es sein, der hinter dem Tagebuch her ist.«
Von Daz kam keine Antwort. Nicht, dass Aidan eine erwartet hätte. Die Rädchen in seinem Kopf drehten sich weiter, während er die Sache mit sich selbst besprach. »Es muss jemand anders sein, der so versessen darauf ist. Jemand, der weiß, welche Geheimnisse es birgt. Jemand, der imstande ist, Vaters Sprache zu entziffern.«
Es war da, am Rande seines Bewusstseins. Ein Eindruck. Ein Stück der Antwort, die er suchte.
»Die glorreiche Rückkehr des Hochkönigs ist umsonst.« Daz hörte nicht auf, sich zu wiegen und vor sich hinzumurmeln. »Zu viel Blut. Immerzu das Blut. Der Tod.«
Aidan beachtete Daz nicht. Die Lösung war da, sie war nur in irgendeinem Winkel seines Gehirns verschlossen. »Jemand, der imstande ist, Vaters Sprache zu entziffern.« Frustration und Ärger stiegen in ihm hoch. Es war da – wenn sein Kopf nur klar genug wäre, um sich zu entsinnen.
Daz presste seine Hände an die Ohren. »Brendan wusste Bescheid. Brendan versuchte es. Bewahr sie sicher auf, sagte er, und das tat ich. Sie sind sicher, bis er zurückkommt, um sie zu holen.«
Das war es. Ein Brief. Ein Abschiedsbrief. In der gleichen schweißtreibenden Sprache geschrieben wie das Tagebuch.
Natürlich. Die Antwort traf ihn wie ein Blitzschlag.
»Máelodor!«
Cat starrte in die Nacht hinaus, die ihr durch ihre Angst noch finsterer erschien als sonst. Weil sie wusste, dass irgendwo hinter den kleinen, von dem Licht der Fenster schwach erhellten Stellen ein Jäger sich heranpirschte. Obwohl »heranhinkte« wahrscheinlich die bessere Bezeichnung war. Sie schloss die Augen, aber Lazarus’ Gesicht, grimmig und unbewegt wie das einer Statue, blieb ihr
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