Heirs of Kilronan 01 - Geheimnisvolle Versuchung
gedacht, Junge?«, schimpfte er. »Du weißt es besser, als mit Magie von dieser Art herumzuspielen! Sie ist böse. Es ist ein Frevel, das Reich der Finsternis zu Hilfe zu rufen.«
Aidan streifte sich ein Hemd über den Kopf und atmete langsam durch, bis der Schwindel nachließ. »Herumspielen kann man das ja wohl nicht nennen! Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder das – oder zulassen, dass Lazarus das Tagebuch für Brendan stiehlt.«
So, jetzt war es heraus. Was er schon die ganze Zeit gedacht hatte, seit Daz ihn über das ganze Ausmaß des Verrats seiner Familie und des kaltblütigen Ehrgeizes seines Bruders aufgeklärt hatte. Es tat noch immer weh, und er wusste, dass er diesen Schmerz mit Sicherheit genauso mit sich herumtragen würde, wie er die Narbe des Unsichtbaren trug.
Wie hatten sie ihm nur so viel verschweigen können? Es war wie herauszufinden, dass die beiden Menschen, die er am meisten liebte, Wildfremde waren.
»Du hast Brendan schon einmal in diesem Zusammenhang erwähnt.« Daz starrte ihn an, als wären ihm drei Köpfe gewachsen – was nach dem Angriff des Unsichtbaren gar nicht mal so ausgeschlossen war. »Warum sollte dein Bruder hinter dem Tagebuch her sein?«
»Brendan braucht es, um den Wandteppich zu finden. Um Artus zurückzubringen.«
»Warum in aller Welt sollte Brendan das tun wollen?«
Daz’ geistige Gesundheit schien sich bereits wieder zu verschlechtern.
»Du hast selbst gesagt, dass die Neun Artus wiederauferstehen lassen wollten. Um die Kriege zu beginnen, die zu einer neuen Ordnung führen würden, diesmal mit der Vorherrschaft der Anderen über die Duinedon . Und wir wissen, dass es möglich ist. Die Kreatur namens Lazarus ist der Beweis dafür.«
Der alte Mann kratzte sich unter seinem ungewaschenen Haar. »Es kann nicht Brendan sein.«
Sein Protest verstärkte nur Aidans Gefühl des Verratenwordenseins. »Versuch nicht, ihn zu schützen! Ich weiß, wie sehr er dir am Herzen lag. Ich habe ihn schließlich auch geliebt, Daz. Und am Ende war er durch und durch verdorben.«
Daz warf ihm einen finsteren Blick zu, und die Röte in seinem Gesicht vertiefte sich sogar noch. »Du redest dummes Zeug.«
»Die Amhas-draoi hatten recht«, versetzte Aidan. »Sie versuchten mich zu warnen. Selbst Jack hat versucht, mich misstrauisch zu machen. Aber ich war verblendet von einer Liebe, die ebenso verkehrt war wie meine Erinnerungen an ihn.«
»Es war nicht Brendan.«
»Hör auf, mir die Wahrheit vorzuenthalten.«
Ihre Stimmen wurden lauter.
»Du verstehst nicht, Aidan!«
»Ich verstehe sehr gut. Brendan war ein verdammter Verbrecher. Ein Irrer.«
Inzwischen überschrien sie sich schon gegenseitig.
Daz packte Aidan an den Schultern und drehte ihn herum, damit sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. »Hör mir zu, Aidan! Es war Brendan, der sie an die Amhas-draoi verraten hat. Sie alle. Sogar deinen Vater.« Das Rot in seinem Gesicht verblasste zu einem gespenstischen Grau. »Brendan hat alle verraten und wurde dann auch selbst verraten.«
Aidan starrte ihn befremdet an. »Was willst du damit sagen?«
Daz’ Griff um Aidans Schultern verstärkte sich, bis er sich fragte, ob er das Einzige war, was den alten Mann noch aufrecht hielt. Daz’ Finger verkrampften sich, Kummer ließ seine Züge weicher werden und trübte seine Augen. »Es war Brendan, der die Amhas-draoi auf die Neun ansetzte und deinen Vater und die anderen damit zum Tode verurteilte. Artus wiederauferstehen zu lassen, war seine Idee gewesen, aber er wusste, dass es nicht gelingen würde. Und dass es, trotz des Scheiterns ihrer Pläne, Tausende, ja vielleicht sogar Hunderttausende Unschuldige das Leben kosten würde. Er hatte genug von dem Blutvergießen. Vom Töten. Von der furchtbaren Schuld, die ihm auf der Seele lag.«
»Woher weißt du das alles?«
Daz drückte Aidan fast schmerzhaft hart die Schultern, bevor er sich auf einen Stuhl fallen ließ. Während er sich dann mit zitternder Hand die Augen beschattete, sagte er: »Weil ich einer Meinung mit ihm war. Wir brachen beide fast unter unserer Last zusammen. Brendan wählte einen ehrenhaften Ausweg. Er opferte alles, um zu versuchen, wieder in Ordnung zu bringen, was er falsch gemacht hatte.«
»Und du, Daz?«
»Ich habe mich wie ein Feigling aus der Affäre gezogen.«
»Du sagst, Brendan sei verraten worden. Wie kam es dazu?«
Daz blickte auf, und Aidan sah die Gespenster jener Tage in seinem blutunterlaufenen Augen. »Er beschloss, den
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