Heiss Glüht Mein Hass
Mia zu ihm trat, um ihm den Gürtel zu lockern, sah sie das Buch. Behutsam nahm sie es ihm aus den Fingern und betrachtete neugierig den Einband, aber es gab keinen Titel. Es war ein Notizbuch, und jede Seite darin war mit der Hand beschrieben.
Sie musterte sein Gesicht. Er schlief noch immer fest. Sie sollte das Buch wieder hinlegen. Sofort. Aber schließlich belauschte
er
ihre Gespräche, da musste es gestattet sein. Sie blätterte zur ersten Seite. »Meine Gedichte, von Christine Solliday«, stand da. Aber die nächste Seite schnürte ihr die Kehle zu. »Für meinen geliebten Reed. Ich habe dir mein Herz versprochen. Hier hast du es.«
Gedichte. Jede Seite Gedichte. Daher hatte Beth also ihr Talent. Und wie sehr das Mädchen sich geirrt hatte. Ihr Vater würde sie nur allzu gut verstehen. Die Seiten waren abgegriffen, manche hatten Eselsohren. Dieses Buch wurde oft gelesen und sehr geliebt. Es war Christines Herz. Und Reeds genauso.
Die Worte verschwammen, während sie las, und Mia blinzelte, um die dummen Tränen wegzudrücken. Er war immerhin aufrichtig gewesen. Er wollte keine Verpflichtungen.
Und ich dumme Kuh habe gedacht, das könnte reichen.
Mit bebenden Händen legte sie das Buch auf den Nachttisch zurück und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Eine dünne goldene Kette erschien. Er hatte sie nicht getragen, als sie miteinander geschlafen hatten, aber sie erinnerte sich jetzt, sie an ihrer Wange gespürt zu haben, als sie sich vorhin an seine Brust geschmiegt hatte, um zu weinen. Sie würde jetzt nicht weinen. Noch nicht. Sie würde ihn ins Bett bringen, zurückkehren und dann … Sie war beim letzten Knopf angekommen, das Hemd fiel auseinander, und ihre Finger verharrten.
Am Ende der Kette hing ein Ring. Ein schlichter Goldring.
Er trägt noch immer seinen Ehering.
Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, aber ihre dumme Hand hob die Kette selbstquälerisch hoch. Der Ring baumelte und funkelte im Licht der Lampe.
Mit einem Ruck war Reed wach. Eine Hand schloss sich um den Ring, die andere so fest um ihr Handgelenk, dass sie zusammenzuckte. »Du tust mir weh«, flüsterte sie.
Augenblicklich ließ er ihre Hand los, nicht aber den Ring. Sein Gesicht war hart und zornig. »Was machst du hier?«
Mia wich einen Schritt zurück. »Anscheinend einen großen Fehler. Gute Nacht, Reed.«
Sie verließ sein Zimmer, eilte rasch aus dem Haus, steckte mit zitternden Fingern den Schlüssel in Laurens Haustür und trat ein. Dann stand sie dort und atmete so heftig, als habe sie einen Marathon hinter sich. Sie hatte geglaubt, dass er ihr folgen würde. Offenbar hatte sie sich geirrt. Inzwischen zitterte sie am ganzen Körper. Heftig.
Reine Dummheit. Wann hatte sie das letzte Mal etwas gegessen? Sie konnte sich nicht erinnern. Sie nahm sich ein Stück kalte Pizza, dann ein zweites. Als sie gerade hineinbeißen wollte, ging die Tür auf. Reeds Miene wirkte gequält. Er hatte sein Hemd zugeknöpft, und falls er den Ring noch trug, so besaß er wenigstens den Anstand, ihn vor ihr zu verbergen. Nein, das war nicht fair. Der Ring ging sie nichts an.
Er hat es dir von Anfang an gesagt, Mia. Keine Verpflichtungen, keine Bindungen.
»Mia, wir müssen reden.«
Sie schüttelte den Kopf. »Schon okay. Geh wieder ins Bett, Reed.«
Er regte sich nicht, und ihr riss der Geduldsfaden. »Reed! Ich hatte einen richtig üblen Tag. Ich würde jetzt gern allein sein.«
Er trat zu ihr und legte ihr eine Hand an die Wange. »Verzeih mir. Ich wollte dir nicht wehtun.«
»Da gibt es nichts zu verzeihen.« Sie schluckte den Klumpen, der in ihrer Kehle aufstieg. »Du hast mir von Anfang an gesagt, was du wolltest. Ich bin diejenige, die ständig Grenzen überschreitet. Ich kann aber nicht nach deinen Grundregeln spielen, Reed. Es geht nicht ohne Bindungen. Ich hätte es nicht versuchen sollen. Es tut
mir
leid.«
Er verharrte plötzlich. »Dann können wir vielleicht die Grundregeln ändern.«
Die Hoffnung entzündete ein kleines Feuer in ihrem Herzen. Dann schob sie ihre Hand in sein Hemd und holte die Kette mit dem Goldring heraus, und das Feuer erstarb. »Weißt du, ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, mit einem toten Jungen, von dessen Existenz ich nicht einmal wusste, um die Liebe eines Mannes zu wetteifern, der diese Liebe überhaupt nicht wert war. Ich will nicht mit deiner toten Frau in Konkurrenz treten, auch wenn der Preis … es durchaus wert ist. Aber inzwischen bin ich der Meinung, dass ich nach mehr streben darf.
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