Heiss Glüht Mein Hass
die letzte. Danach ist Feierabend.«
Ihr Lächeln war sehnsüchtig. »Sie Glückspilz.«
Er ließ sie noch ein bisschen tippen. »Die Straßen sind ganz schön rutschig. Seien Sie vorsichtig, wenn Sie nachher nach Hause fahren. Es soll noch mehr Schnee geben.«
»Danke, aber ich bleibe die ganze Nacht hier.«
Er verzog das Gesicht. »Die ganze Nacht? Oje, Sie Arme.« Die ganze Nacht? Verdammt, er brauchte die Karte.
Sie zuckte die Achseln. »Zwei meiner Leute liegen mit einer dicken Erkältung im Bett, das muss ich irgendwie auffangen. Frühestens um sieben bin ich morgen früh hier raus.« Sie hatte zu Ende getippt und wandte sich ihm nun zu. »Oh, das sind aber schöne Blumen.«
Das wollte er hoffen. Er hatte fünfzig Mäuse dafür ausgegeben. »Sie sind für …« Er zog einen Zettel aus der Tasche. »Für die Doughertys. Bin ich hier richtig?«
»Sind Sie«, sagte sie. »Sie sind Gäste bei uns.«
»Bekommen sie sie noch heute Abend?«
»Ganz bestimmt. Ich bringe sie ihnen selbst, sobald ich hier vom Tresen wegkomme.«
Dienstag, 28. November, 20.15 Uhr
Nach zwölf Jahren hätte Mia daran gewöhnt sein müssen, ihre Schwester in Gefängniskluft durch den Besucherraum kommen zu sehen. Kelsey ließ sich auf einen Stuhl fallen.
Mia nahm den Telefonhörer auf ihrer Seite der dicken Plexiglasscheibe in die Hand, und nach einem kurzen Augenblick des Zögerns tat Kelsey dasselbe. »Er ist beerdigt«, sagte Mia, und Kelseys Mund verzog sich zu einem freudlosen Lächeln.
»Schön. Das wurde wohl auch Zeit.«
Mia lächelte traurig. »Ich wünschte, du hättest dabei sein können.«
»Du hattest ja Dana.«
»Ja. Sie war da, und dafür bin ich ihr dankbar. Dennoch hätte ich dich gebraucht.«
Kelseys Blick flackerte. »Und für dich wäre ich auch gekommen. Nicht für ihn.«
Das war verständlich. »Ich weiß.«
»Warum bist du hier, M?« Es hieß immer »M«. Nie »Mia«. Kelsey tat alles, was sie konnte, damit niemand herausfand, dass Mia ein Cop war. Zum Glück gab es keine Familienähnlichkeit zwischen ihnen. Kelsey sah aus wie ihre Mutter, während Mia das Abbild Bobby Mitchells war. In seiner Jugend war er ein blonder Verführer gewesen, der mit seinen strahlend blauen Augen unglaublich ernst und tiefgründig blicken konnte, falls dies erforderlich war. Mia hatte immer den Verdacht gehabt, dass er ein Aufreißer war. Inzwischen war ihr Verdacht bestätigt worden.
»Etwas ist passiert, das du wissen solltest. Als ich bei Bobbys Beerdigung war …« Wieder sah sie den kleinen Grabstein vor ihrem inneren Auge. Es war ein eiskalter Schock gewesen. Ein weiterer Verrat in der langen Liste, die er begangen hatte. »Das Grab neben ihm war bereits belegt.«
Kelsey legte den Kopf zurück und verengte die Augen. »Von dem guten alten Liam.«
Mias Kinnlade fiel herab. Es dauerte, bis sie ihre Stimme wiederfand. »Das
wusstest
du?«
Kelsey zog die Brauen hoch. Ihr Blick war kühl. »Du nicht? Erstaunlich.«
»Aber
woher
wusstest du das?«
»Ich habe einmal, als ich nach Geld suchte, ein Foto in einer Kiste gefunden. Niedlicher Bursche, saß auf unserer Schaukel. Der ›wahre Erbe‹ des Königreichs.«
Mia war erschüttert. »Ich habe die Kiste gefunden, als ich seine Anzüge für die Beerdigung durchsah. Ich habe sie erst nach der Feier aufgemacht. Und bei dem Begräbnis sah ich den Grabstein neben seinem. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, dass Liam überhaupt existiert hat.«
Liam Charles Mitchell, Geliebter Sohn.
Ein Schatten huschte über Kelseys Gesicht. »Verzeih mir. Du hättest das nicht auf diese Art herausfinden dürfen. Ich war mir wirklich sicher, dass du Bescheid wusstest. Und was hat
sie
getan?«
»Sie« war ihre Mutter. »Auf dem Friedhof? Sie hat sich geistig ausgeklinkt.« Später hatte sie geredet. Mia hatte ihr wenig Geduld entgegengebracht, und es würde lange dauern, bis sie beide wieder höflich miteinander umgehen würden.
Das sollte mich eigentlich mehr stören.
»Er wurde geboren, als ich zehn Monate alt war. Ein Jahr später ist er gestorben. Ich habe mir die Geburtsurkunde angesehen. Seine Mutter hieß Bridget Condon.«
»Ich weiß.«
Mia starrte sie an. »Bobby hat es dir gesagt?«
Kelsey hob eine Schulter. »Ich habe einen Zeitpunkt abgepasst, in dem er besoffen genug war, um ihn zu fragen.«
Mia schloss die Augen. »Wann war das?«
»Kurz vor Weihnachten. Ich war dreizehn.«
Mia erinnerte sich. »Deine Lippe musste mit sechs Stichen genäht
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