Heiss wie der Sommer
dass sie sich keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie Tess darauf reagieren würde? War sie etwa wirklich
so
rücksichtslos?
Die Fassade der Herrscherin über diese heiligen Hallen begann zu bröckeln. „Lily, setz dich bitte wieder hin … reiß dich doch zusammen …“
Lily ging weiter. Ihre Sportschuhe verursachten auf dem Marmorboden keine Geräusche, während das laute Klacken der spitzen Absätze von Eloises Schuhen von den Wänden widerhallte, als sie hinter ihr her eilte.
„Geh zum Teufel, Eloise!“, brüllte sie ihre Schwiegermutter an und riss die Haustür auf.
„Bitte!“, rief Eloise. „Warte doch! Ich habe das falsch angefangen …“
Die Worte ließen Lily fast anhalten.
Aber nur fast.
Sie eilte die Stufen hinab und machte die Wagentür auf.
Eloise zermalmte mit jedem Schritt die Muschelstücke, während sie ihr hinterherlief. „Warte!“, rief sie verzweifelter als zuvor. „Lily, warte
bitte
…“
Dass Lily nicht sofort losfuhr, hatte nichts mit Eloises flehendem Tonfall zu tun. Vielmehr war sie so aufgebracht, dass sie für sich und andere auf der Straße eine Gefahr darstellte.
„Es tut mir leid“, redete Eloise weiter, die nun neben dem Wagen stand und sich nach vorn beugte, um durch die offene Wagentür Lilys Schulter zu berühren. „Es ist nur … Oh, Lily, nimm mir Tess bitte nicht weg! Gib mir noch eine Chance …“
Langsam hob sie den Kopf und sah ihrer Schwiegermutter in die Augen. „Wie soll ich das tun? Wie soll ich dir je wieder mein Kind anvertrauen, wenn du … wenn du …“
Eine Träne lief Eloise über die Wange, was bei ihr eine Seltenheit war. Nicht mal bei der Beerdigung ihres Sohnes hatte sie Tränen vergossen. „Lily, gib mir noch eine Chance!“, flüsterte sie. „Ich flehe dich an! Ich habe Burke verloren, ich kann nicht auch noch Tess verlieren. Das
kann
ich einfach nicht!“
Lily wischte sich über die Augen und atmete ein paarmal tief durch. „Du kannst uns jederzeit besuchen“, gab sie ganz leise zurück. „Du findest uns in Stillwater Springs, Montana.“ Jetzt ging es ihr wieder gut, und sie konnte fahren. „Im ersten Trailer rechts.“
Damit zog sie die Wagentür zu, ließ den Motor an und fuhr langsam die Auffahrt hinunter. Sie wusste, dies war ihr letzter Besuch in Oak Park gewesen. Und sie musste sich zusammenreißen, um nicht lauthals zu jubeln.
Dan Phillips traf mit seiner Crew am Nachmittag an Tylers Hütte ein. Da der Bulldozer bereits dort stand, schaffte er binnen kürzester Zeit die Überreste des Gebäudes weg. Abschleppwagen trafen ein, um den Wagen, mit dem Roy hergekommen war, und Tylers demolierten Pick-up abzuholen.
Gemeinsam gingen Dan und Tyler das Areal ab, auf dem das Fundament gegossen werden sollte, und gleich darauf begann die Crew, das Erdreich auszuheben.
Als Tyler ein Funkeln im platt gedrückten Gras bemerkte, kauerte er sich hin und las die Überreste seiner Armbanduhr auf. Sie war das Letzte gewesen, was Shawna ihm geschenkt hatte.
Er umschloss sie mit den Fingern und kniff die Augen zu.
Lass los, Ty!
, hörte er Shawna so klar und deutlich sagen, wie er zuvor Jakes Geist in seinem Kopf wahrgenommen hatte.
Es ist Zeit loszulassen.
Tyler öffnete die Augen und bemerkte Dylan, der nicht weit von ihm entfernt stand und ihn beobachtete.
„Irgendwie ist das unheimlich“, sagte er und richtete sich auf, „dass du genauso wie Logan ständig wie aus dem Nichts auftauchst, wenn ich mit keinem von euch beiden rechne.“
Und immer genau in dem Moment, in dem ich einen Bruder brauche.
„Ich habe dich ein paarmal gerufen“, erklärte Dylan, „aber du hast mich wohl nicht gehört. Du scheinst ja in ganz anderen Sphären zu schweben.“
Tyler zog eine Grimasse, blieb seinem Bruder aber eine Antwort schuldig.
„War das eine besondere Uhr?“, fragte Dylan verhalten.
Tyler schluckte und nickte, und wieder hörte er Shawnas sanfte Aufforderung in seinem Kopf.
Lass los, Ty! Es ist Zeit loszulassen.
„Davon erzähle ich dir bei Gelegenheit.“
„Lass dir Zeit“, gab sein Bruder zurück, dann deutete er auf die Zufahrt. „Ich bringe dir den Blazer wieder. Mit irgendwas musst du schließlich fahren.“
„Danke“, sagte Tyler amüsiert, während Dylan ihm den Schlüsselbund in die Hand drückte, in der er nicht Shawnas Uhr und damit Shawna selbst festhielt.
Lass los!
„Davie und der Hund sind noch bei Logan?“, fragte Dylan, als er neben Tyler zum Blazer ging.
„Ja“, antwortete er. „Und vor
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