Heiss wie der Sommer
gesagt, dass er dann sofort von dort weglaufen wird, und das glaube ich ihm aufs Wort. Also habe ich Jim überredet, der ganzen Sache noch ein paar Tage Zeit zu geben.“
Er kniff die Augen zu. „Wo ist Davie jetzt?“
„Ich habe ihn ins Kasino gebracht, wo er in einem der Restaurants warten kann, bis seine Mutter Feierabend hat.“ Dylan ließ eine kurze Pause folgen, dann räusperte er sich, und Tyler machte sich auf die viel wichtigere Mitteilung gefasst, von der er seit Beginn des Telefonats wusste, dass sein Bruder zögerte, sie anzusprechen. „Ty?“, fuhr er fort. „Die Mutter des Jungen … Du kennst sie.“ Wieder eine Pause. Vor Tylers geistigem Auge entstand das Bild eines Flugzeugs, bei dem der Abwurfschacht geöffnet wurde, sodass die Bombe mit tödlicher Präzision auf ihn zufliegen konnte. „Du kanntest sie als Doreen Baron.“
„Oh nein“, murmelte er, als die Bombe in seinem Kopf detonierte.
Doreen war damals Kellnerin im Skivvie’s gewesen. Sie war fünfzehn Jahre älter als Tyler, mit Tätowierungen übersät und für alles offen. Auch dafür, einem gerade erst volljährig gewordenen Jungen zu zeigen, wie man eine Frau sexuell befriedigt.
In aller Eile rechnete Tyler von dem Alter an zurück, in dem der Junge schätzungsweise sein musste.
„Oh nein“, wiederholte er im Flüsterton.
Davie war möglicherweise sein Sohn.
Und irgendein Drecksack verprügelte ihn allem Anschein nach regelmäßig.
„Bist du noch da?“, fragte Dylan behutsam, als das Schweigen allzu lange dauerte.
„Ja, ich bin hier.“ Tyler war vor Angst und Hoffnung ganz schwindlig. Einerseits hoffte er, dass Davie tatsächlich sein Sohn wäre. Andererseits stand zu befürchten, dass seine vorsichtigen Annäherungsversuche an Lily dann vergeblich sein würden.
Wollte
er sich ihr überhaupt nähern?
„Denkst du, was ich denke?“, hörte er Dylan fragen.
„Ja“, erwiderte Tyler. „Vom Alter her würde es passen.“ Er zog den Kopf ein und drückte mit Daumen und Zeigefinger auf seinen Nasenrücken. Der Hund winselte leise und schmiegte sich noch fester an ihn. „Aber Doreen hat nie so getan, als wäre ich der Einzige gewesen, mit dem sie was hatte. Und wenn Davie mein Sohn wäre, dann hätte sie garantiert längst versucht, Geld von mir zu bekommen.“
Dylan schwieg eine Weile. „Du brauchst einen fahrbaren Untersatz. Ich habe mit Kristy gesprochen, und sie leiht dir ihren Blazer, bis dein Truck wieder fährt. Wir könnten dir den Wagen bringen, sobald sie aus der Bibliothek kommt. Vorausgesetzt, du bist einverstanden.“
Stolz regte sich in Tyler, doch er wusste, er brauchte einen Wagen. Die Werkstatt konnte ihm kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen, und ein Mietwagen kam auch nicht infrage, weil er dafür bis nach Missoula hätte fahren müssen – und das wollte er auf keinen Fall tun.
„Okay“, willigte er schließlich ein. „Danke.“
Dylan lachte. „Das war doch gar nicht so schlimm, oder?“
Es war
verdammt
schlimm, und als ein Creed wusste Dylan das ganz genau.
„Glaub jetzt bloß nicht, dass aus uns noch beste Kumpels werden“, warnte Tyler ihn.
Wieder musste Dylan lachen, doch diesmal machte es Tyler zu schaffen. Er hatte sich nach der Sache im Skivvie’s, nach Jakes Beerdigung, geschworen, nie wieder die Hilfe seiner Brüder in Anspruch zu nehmen, und bislang hatte er sich daran gehalten. Aber jetzt borgte er sich einen Wagen aus, als wäre er nicht in der Lage, sich selbst einen zu besorgen. Als wäre er ein Verlierer.
„Gott möge es verhindern“, kommentierte Dylan ironisch, „dass wir Freunde werden.“
„Ja, ja, wie du meinst“, gab Tyler zurück und legte auf.
Die nächsten zwei Stunden verbrachte Tyler damit, unruhig hin und her zu laufen und Gitarre zu spielen. Schließlich fuhren zwei Geländewagen vor. In einem saß Dylan, Kristy im anderen.
Tyler legte seine exklusive, handgefertigte Gitarre zurück in den Koffer und hoffte, niemand würde dazu etwas anmerken, doch Dylans Blick fiel sofort auf das Instrument, kaum dass Kristy und er hereingekommen waren.
Kristy, die die zweijährige Bonnie im Arm hielt, ging sofort zum Koffer und warf einen bewundernden Blick auf die Gitarre.
„Eine Martin“, sagte sie unüberhörbar beeindruckt und stieß einen anerkennenden Pfiff aus.
„Ich mag Frauen, die sich mit Gitarren auskennen“, freute sich Tyler, gab seiner Schwägerin einen Kuss auf die Wange und fuhr Bonnie durch die blonden Locken. Kristy war schon
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