Heiss wie der Sommer
trotz ihrer Erschöpfung noch aufbringen konnte.
„Nana wird uns zwingen hierzubleiben“, behauptete Tess. „Wir fahren niemals zurück nach Montana, und wir werden auch nicht Tyler heiraten.“
Lily verkniff sich ein Lächeln, setzte sich zu ihrer Tochter und zog sie in ihre Arme. „Wir fahren zurück, Tess“, erklärte sie.
„Versprochen?“
„Versprochen.“
„Auf jeden Fall?“
„Auf jeden Fall.“
Tess entspannte sich ein wenig und ließ zu, dass Lily sie an sich drückte. „Muss ich mit Nana nach Nantucket fahren?“
„Vermutlich ja. Aber nur für ein paar Tage.“
Tess verzog das Gesicht.
„Dir gefällt Nantucket doch“, erinnerte Lily sie. „Und deine Großmutter magst du auch. Sei nett zu ihr, Schatz. Sie liebt dich doch, und das weißt du auch.“
Ihre Tochter seufzte auf diese herzerweichende Art und lenkte ein: „Okay, ich werde nett zu Nana sein.“
„Danke“, sagte Lily. „Das ist lieb von dir.“ Sie stand auf, ging zum Sideboard und holte einen von Tess’ Lieblingsschlafanzügen heraus. „Jetzt zieh dich um“, fügte sie an und gab ihrer Tochter einen Kuss auf den Kopf, „damit ich dich zudecken kann.“
Tess nahm den Schlafanzug an sich und untersuchte ihn mit größter Sorgfalt.
„Keine Läuse“, verkündete sie dann, wobei sie fast ein wenig enttäuscht klang.
15. KAPITEL
A m nächsten Morgen kam Lily im Bademantel in die Küche und las blinzelnd, was ihr Vater ihr auf den Notizzettel geschrieben hatte, der an der Kaffeemaschine klebte:
Nur den Knopf drücken. Tess zeigt mir die Gegend. Wir bringen Frühstück mit. Bagels? Bis bald, Dad.
Da rief Orlando an, der Concierge der Tagschicht. Eloise war eingetroffen.
Dankbar dafür, dass Hal Tess aus der Schusslinie genommen hatte – ganz zu schweigen davon, dass er sich die Mühe gemacht hatte, die Kaffeebohnen zu mahlen und die Maschine für sie vorzubereiten –, ahmte sie den Smiley nach, den er unter seine Notiz gemalt hatte.
„Schicken Sie Mrs. Kenyon bitte rauf“, sagte sie betont freundlich. Sie wusste, dass Eloise gleich neben Orlando stand, um mitzuhören und darauf zu achten, ob dem Tonfall irgendeine Spur von Gereiztheit zu entnehmen war.
Lily war gereizt, sie war sogar stinksauer. Eloise war viel zu früh da. Aber sie wollte ihr weder vorsätzlich noch unabsichtlich wehtun, denn trotz ihrer überheblichen Art war ihre Schwiegermutter durchaus ein großzügiger Mensch.
Es wäre schön gewesen, wenn sie sich noch hätte umziehen können, überlegte sie, als sie den Finger von der Sprechanlage nahm und versuchte, ihr zerzaustes Haar ein wenig glattzustreichen. Letzte Nacht hatte sie kaum geschlafen, und wenn doch, dann war sie von erotischen Träumen verfolgt worden, in denen Tyler die Hauptrolle spielte.
Ein flüchtiger Blick in den Kühlschrank zeigte ihr, was sie bereits geahnt hatte: Bis Hal und Tess mit Bagels und anderen Köstlichkeiten zurückkehrten, die in den bestens sortierten Geschäften und Lokalen in der Umgebung zu finden waren, saß sie auf dem Trockenen. Es sei denn, sie versuchte, aus einer Packung Backpulver, einem Glas Dijonsenf und einer Handvoll verschrumpelter Oliven etwas Genießbares zu kreieren.
Allerdings hätte diese Mischung gut zu ihrer Laune gepasst.
Gut eine Minute später klingelte es an der Wohnungstür.
Lily schaltete die Kaffeemaschine ein, setzte ein Lächeln auf, das sie durch die kommende Tortur bringen musste, und öffnete die Tür.
„Kaffee?“, fragte sie, während sie Eloise eintreten ließ. Der war zwar noch nicht durchgelaufen, aber das war egal. Ihre Schwiegermutter würde ohnehin ablehnen.
Obwohl es noch so früh am Tag war, war die Frau bereits makellos angezogen: Schuhe mit hohen Absätzen, Nylonstrümpfe und ein marineblauer, mit Weiß abgesetzter Anzug. Missbilligend begutachtete sie Lilys morgendliches Erscheinungsbild und wurde bleich, als sie bemerkte, dass es sich um einen von Burkes Morgenmänteln handelte.
„Nein,
danke“
, stieß sie aus. Ihr Make-up war perfekt, und das zu einer Uhrzeit, zu der sich Lily nicht mal traute, Wimperntusche aufzutragen, weil sie fürchtete, sie könnte sich ein Auge ausstechen. War Eloise auf dem Weg hierher noch an einem Kosmetikstudio vorbeigefahren, um so perfekt auszusehen?
Lily verkniff sich ein Seufzen und achtete darauf, dass ihr das aufgesetzte Lächeln nicht entglitt. „Komm doch rein“, sagte sie, während Eloise an ihr vorbeirauschte, einen kritischen Blick durch das Wohnzimmer schweifen
Weitere Kostenlose Bücher