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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Er steht am Waldrand und sinnt sich eine Entschuldigung aus.«
    *
    Die ersten Schlingen waren leer. Kein Tier hatte sich hierher verirrt, und Sadowjew hätte geschworen, daß hier mehr herumkroch, als man ahnte. Er fluchte und tappte weiter. Er kam in das Gebiet der Felsenschluchten und der hohen Kiefern und Lärchen. Hier war Wild … er hatte gestern die Spuren gesehen. Schneehasen, Rentiere und kleine Rehe. Auch Wölfe waren hier, und obgleich ein Mensch den Wolf haßt, waren sie jetzt Fleisch, weiter nichts.
    Sadowjew jubelte, als er die fünfte Schlinge sah. Ein Hase hatte sich in ihr erwürgt, ein magerer Bursche, aber er reichte für ein gutes Essen. Sadowjew löste ihn aus dem Draht, stopfte ihn in den Sack und stapfte weiter. Den Weg hatte er sich gestern vorgezeichnet … mit dem Messer hatte er die Rinde abgeschlagen, und nun ging er an den gezeichneten Bäumen entlang, in einem großen Kreis um den haltenden Zug.
    Gegen Mittag hörte Sadowjew seitlich von ihm das leise Klirren von Hufen auf gefrorenem Schnee. Er blieb stehen, seine Jägeraugen glänzten, er legte die Handschuhe über das von kleinen Eiszapfen behangene Gesicht und lauschte. Rehe. In der Nähe seiner beiden letzten Schlingen. Sei still, Dimitri Ferapontowitsch. Rühr dich nicht von der Stelle. Laß sie in deine Schlinge traben … hopp, hopp, ihr lieben Tierchen … wir Menschen haben leere Bäuche …
    Sadowjew stand wie eine Eissäule. Dann hörte er irgendwo einen warnenden Laut und das Davonhetzen des Rudels. Zur Schlinge! Warum flüchten sie? Eines muß ich gefangen haben. Ihr werdet staunen, Brüderchen, wenn ich nachher meinen Sack aufmache. Einen Hasen und ein Reh … was sagst du nun, du Großschnauze von Heizer, he?
    Sadowjew lief, so schnell ihn die breiten Schneeschuhe über den Boden trugen.
    Von weitem schon sah er, daß sie leer waren, er ballte die Fäuste und brüllte in die froststarrende Einsamkeit: »Wer hat sie gewarnt? Ist der Teufel hier? Komm hervor aus deinem Versteck …«
    Dann rannte er weiter. Der Zorn machte ihn blind. Mit einem Aufschrei trat er auf etwas Hartes, dann schlug etwas gegen sein linkes Bein, biß sich durch die Stiefel fest, spitze Zähne gruben sich in die Knochen und jagten den Schmerz wie eine Rakete bis ins Hirn.
    Sadowjew wurde es einen Augenblick dunkel vor den Augen. Sein Mund riß auf, er stöhnte laut, schwankend umfaßte er mit beiden Händen seinen Kopf, denn der Schmerz wollte ihn zersprengen, dann fiel er in die Knie.
    Als die kreisende Schwärze von seinen Augen wich, als er die Welt wieder erkannte … vereiste Bäume mit schweren Schneelasten, die Lichtung, die Felsenhänge, den blauen, frostigen Himmel … spürte er die eiserne Umklammerung seines linken Beines. Er brauchte gar nicht hinzusehen … er wußte, daß er in eine stählerne Klappfalle getreten war, daß sich die spitzen Dornen in sein Fleisch gegraben hatten und daß er gefangen war wie ein großes Wild.
    Sadowjew tastete an seinem Bein hinunter. Das Blut sickerte durch die Stepphose, wenn er sich leicht bewegte, knirschten die Stahlzähne auf seinem Knochen und jagte der Schmerz wie Explosionen durch seinen Körper.
    So also ist das, dachte Sadowjew und rührte sich nicht. Er hatte früher selbst diese eisernen Klappfallen gestellt und das gefangene Wild erschossen, einmal sogar einen Bären, der bereits sein Bein halb abgerissen hatte und unter dumpfem Brüllen immer wieder daran zerrte.
    Sadowjew versuchte, sich etwas umzudrehen, um mit beiden Händen die eisernen Backen auseinanderzudrücken. Aber schon beim ersten Versuch gab er es auf … jede Bewegung im Eisen war wie ein Schlag mit einem Feuerstrahl. Sie werden die Falle nachsehen, dachte er. Die Jäger, die hier ihr Revier haben, werden bis zum Abend kommen und den Fang einsammeln. Es sind Menschen in der Nähe, das ist eine Beruhigung. Man muß nur darauf achten, daß der Frost sich nicht durch die zerrissene Hose frißt. Dann erfriert das Bein, wird erst rot, dann blau, dann schwarz, und zuletzt kann man es abbrechen wie einen dürren Ast. Aber das wird nicht sein … sie werden kommen und mich befreien.
    Er leerte den Sack, warf den toten Hasen in den Schnee und wickelte den Sack um seinen gefangenen Unterschenkel. Auch das jagte wahnwitzige Schmerzen durch seinen ganzen Körper … er biß sich die Lippen blutig, brüllte einmal auf, um dem Druck in seiner Lunge Luft zu machen und erschrak vor seiner eigenen, unmenschlichen Stimme.
    Am Abend wehte der

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