Heiß wie der Steppenwind
als sie alle zur gleichen Zeit sprangen. Wen er traf, wußte er nicht … er wurde von drei wolligen Leibern in den Schnee gedrückt, spürte die Bisse in Schulter und Schenkel, spitze Zähne, die Stoff und Wattefüllung zerfetzten und dann in sein Fleisch drangen.
Sadowjew kämpfte bis zum letzten Atemzug. Er stieß sein Messer in die keuchenden, grunzenden, heulenden Leiber, rammte seine sackumwickelte Hand in die heißen aufgerissenen Rachen, Blut lief ihm über das Gesicht, und er wußte nicht, war es Wolfsblut oder sein eigenes … überall hackten die Zähne in ihn hinein, rissen Stücke aus ihm heraus, und er kämpfte weiter, wurde blind von dem Blut, das ihm in die Augen floß, hieb mit dem Messer um sich, krallte sich in das wollige Fell, das überall war und schrie noch einmal hell auf, als er sekundenschnell einen heißen Atem über sich spürte und spitze, nach Aas stinkende Zähne, die sich in seine Kehle gruben. Den Biß erlebte er noch, diesen Schmerz, der unter seiner Hirnschale explodierte … und mit diesem Blitz wurde sein Leben zerschnitten. Als die Wölfe sein Gesicht zerrissen, war Sadowjew schon tot.
Am nächsten Morgen fanden die Jäger nur ein paar Stoffetzen auf der Lichtung, einige Blutflecke und im zugeschlagenen Fangeisen einen Stiefel mit einem abgenagten Bein. Sie befreiten es schweigend aus der Falle, bekreuzigten sich und verschwanden dann wieder im Wald.
Wie gesagt … Sadowjew ging zum Jagen und kam nie wieder.
»Er hat sich aus dem Staub gemacht, der Halunke!« sagte der Heizer am nächsten Morgen, als seine Hilfskraft noch immer nicht erschienen war. »Wollte wohl billig durchs Land kommen, was? Seine Sache, wenn er sich in dieser lausigen Gegend wohler fühlt als bei uns. So verschieden ist der Geschmack, Genossen … ich fahre lieber warm in meinem Tender, als frierend im freien Wald laufen. War immer ein komischer Kerl, dieser Sadowjew …«
Einen ganzen Tag lang suchte man ihn. Das Militär schwärmte aus, aber nicht weit genug. Dann stellte man die Suche ein. Es lohnte sich nicht, und außerdem stand er nicht auf der Transportliste, die in Workuta auf den Mann genau stimmen mußte.
»Ein hinterhältiger Mensch!« schrie der Heizer. »Ein miserabler Lump!«
*
Fünf Tage später dampfte der Zug weiter. Der Waggon war ausgetauscht, zurechtgezimmert für den Sträflingstransport und sah nicht anders aus als die anderen Viehwagen. Wieder drängten sich sechzig Mann auf den Pritschen und nach einem Tag war der Parascha voll und der vertraute Gestank von Kot und Urin erfüllte auch diesen Waggon.
Dunja hatte sich erst gewehrt, abzufahren. Als ihr Vater im Wald verschwunden blieb, hatte sie den Kommandanten angefleht, ihn zu suchen und nicht eher das Signal zur Weiterfahrt zu geben, bis man ihn gefunden habe. Als dann die Suchtrupps zurückkehrten und die Lok neuen Dampf bekam, legte sich Dunja vor den Zug auf die Schienen.
»Ihr fahrt nicht!« schrie sie. »Habt ihr den Mut, über mich hinwegzurollen? Zerstückelt mich, dann erst ist die Strecke frei.«
»Sie hat den Verstand verloren«, sagte der Zugkommandant. »Was geht sie der Hilfsheizer an? Der Kerl will im Wald leben … was kümmert es die Genossin Sadowjewa? Seht nur, wie sie daliegt. Verdammt, und wenn hundert schöne Leiber auf den Schienen liegen … wir fahren! Räumt sie weg!«
Fünf Soldaten waren nötig, um die um sich schlagende und beißende Dunja von den Schienen zu heben. Man warf sie in Ulanows Wagen, wo Pjetkin sie auffing und aufs Bett zerrte.
»Väterchen!« schrie Dunja und war wie irr vor Kummer. »Sie lassen Väterchen in der Wildnis zurück! Verlaufen hat er sich, weiter nichts … wenn sie richtig suchen, finden sie ihn! Igorenka … sie lassen meinen Vater in der Wildnis umkommen!«
Sie schlug um sich, als Pjetkin und Marko sie aufs Bett drückten, und sie wehrte sich mit Beißen und Treten, als Pjetkin ihr eine Spritze zur Beruhigung gab.
»Sucht ihn doch!« wimmerte sie später, als die Injektion wirkte und Müdigkeit über ihre Erregung zog. »Sucht ihn … bitte … bitte … Ihr könnt ihn doch nicht allein zurücklassen …«
Es war eine traurige Zeit, diese letzte Woche der Fahrt in den Norden. Dunja war verwandelt, saß schweigend in ihrem Lazarettwagen, tat ihre Arbeit mit starrem Gesicht und sprach mit keinem mehr. Sie gab keine Antwort, und als der Kommandant sie etwas fragte, sah sie ihn mit starren Augen an und spuckte ihm mitten ins Gesicht.
»Ob Akademiker oder nicht«,
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