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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herrschte eine strenge Ordnung und eine peinliche Sauberkeit. Das Kommando führte ein ehemaliger General. Man hatte ihn wegen ›zersetzender Reden‹ zu zehn Jahren verurteilt. Was er gesagt hatte, darüber sprach er nicht. Er war ein grauhaariger Mann, der im Großen Krieg als Major Leningrad verteidigt hatte und dann an der Kriegsakademie Lehrer war. Der Wagen lebte von Pjetkins Ausflügen in Ulanows Bett. Wenn er zu den täglichen Zählappellen zurückkehrte, hatte er alle Taschen voll Zucker und Brot, Wurst und Margarine, Salz und Trockenkartoffeln. Sie waren am wertvollsten. Man konnte die Schnitzel in dem Kipjatok aufquellen lassen und erhielt so eine herrliche Kartoffelsuppe, die den Magen füllte. Jeden Abend verteilte der General die Rationen. Zwei andere Verurteilte kontrollierten die Ausgabe und wogen jede Ration nach. Ein Feinmechaniker im Waggon hatte dazu aus Draht und zwei kleinen Steinen eine Waage konstruiert … sie gab zwar keine Gewichte an, aber die Gleichheit der Portionen.
    Marko kehrte nach zwei Tagen zurück, zusammen mit dem neuen Wagen aus Marlinkowka. Er war eisverkrustet und knackte vor Frost in den Gelenken.
    »Unmöglich, hier wegzukommen«, sagte er und setzte sich neben den glutausströmenden Ofen. »Wir sind zwischen Swerdlowsk und Perm, in der Nähe ist der Fluß Tschussowaja. Hügelland, Ausläufer des Ural, Wälder und Felsschluchten. Wenn wir hier flüchten, werden wir nach ein paar Tagen in die Zivilisation kommen. Das ist schlecht, denn da fallen wir auf. Es ist leichter, mitten in den Wäldern der Taiga zu flüchten, denn dort werden uns die Jäger weiterreichen. Sie haben ein Herz für Verbannte … die Städter nicht. Wo niemand ist, kann auch niemand suchen … ist das Logik?«
    »Und wo nichts ist, werden auch wir umkommen«, sagte Pjetkin zweifelnd.
    »Überall leben Tiere, Söhnchen. Wir werden von den Tieren lernen, die Natur als Mutter anzusehen. Man kann es, Igorenka … ein Russe kann alles …«
    *
    Sadowjew legte unterdessen seine Schlingen. Er war einen Tag herumgestrolcht. Nach alter sibirischer Art hatte er den Zug umkreist, erst eng, dann immer weiter in die Wälder und Schluchten hinein. Seine Kreise weiteten sich schließlich so aus, daß er am zweiten Tag Mühe hatte, den Weg zurückzufinden, denn der Wind wehte die Spuren schnell und gründlich zu.
    »Wo ist der Braten?« schrie der Heizer lachend, als Sadowjew müde zurückkam. Und der Lokführer brüllte: »Er ist einem Kaninchen nachgejagt, man sieht es! Verdammt schwer ist es wirklich, Brüderchen, ihm Salz auf den Schwanz zu streuen, haha! Komm, iß deine Kascha … da weißt du, was du hast.«
    »Warte es ab«, sagte Sadowjew und wärmte sich an dem Lokkessel. »Morgen bruzzelt es über dem Feuer. Sucht schon trockenes Holz zusammen und überlegt, wie man den Bratenduft geruchlos machen kann. Man wird uns erschlagen wegen des Fleisches. Ich habe die Fallen gelegt … und morgen räume ich sie aus.«
    Am dritten Tag zog Sadowjew schon früh los. Mit einem Sack, einem dicken Knüppel, breiten geflochtenen Schneeschuhen, die ihm ein Bahnarbeiter aus Marlinkowka geliehen hatte, einem breiten Messer und viel Vertrauen auf seine Schlingen. Der Lokführer und der Heizer winkten ihm nach, ehe er im Wald neben den Gleisen verschwand.
    Sadowjew hatte vor seinem Abmarsch zu seinen Schlingen noch ein paar Worte mit Dunja und Pjetkin gewechselt. Da es noch früher Tag war, lagen sie im Bett des dicken Ulanow und schliefen, als Sadowjew in den Materialwagen kletterte. Unter der dünnen Decke, denn der Ofen spie eine fast erstickende Wärme aus, sah er, daß beide Körper nackt waren, und sein Vaterherz begann wieder zu schmerzen.
    Er seufzte, beugte sich über Dunja, küßte sie auf die Augen und rüttelte sie dann. Sie erwachte mit einem Ruck und starrte ihn erschrocken an, bis sie ihn erkannte. »Väterchen …«
    »Psst … laß Igor schlafen. Ich gehe auf Jagd, Töchterchen. Bereite eine Pfanne vor … ich bringe dir das beste Stück. Wir werden noch mindestens drei Tage hier festliegen, sagt der Vorsteher von Marlinkowka. Bis dahin sammle ich ein. Ich habe schöne Fallen gelegt, wie in alten Zeiten …«
    Draußen schnallte er sich die breiten, geflochtenen Schneeschuhe unter und tappte glücklich in den Wald.
    Am Abend war er noch nicht zurück.
    »Er schämt sich sicherlich«, lachte der Heizer. Mit dem Lokführer und dem dicken Ulanow saß er unter den Hebeln und Rädern der Lokomotive und spielte Karten.

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