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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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donnern.
    Hilfesuchend blickte Sadowjew zu seiner Frau. Aber Anna Sadowjewa war verrückter als alle anderen. Sie strahlte wie ein blanker Eisentopf und hatte die Hände über der Schürze gefaltet, als warte sie auf den Segen des Popen. Ist das ein Abend! grollte Sadowjew innerlich. Wäre doch bloß der Bezirkssekretär gekommen statt dieser Dr. Pjetkin. Er stierte Dunja und Igor nach, wie sie das Zimmer verließen. Er war sich klar darüber, daß er irgend etwas unternehmen mußte, denn dieser Nachtspaziergang endete ohne Zweifel dort, wo kein Vater seine Tochter gerne sieht. Aber was soll man tun? Alt genug ist sie ja, erwachsen mit ihren fünfundzwanzig Jahren, und eine Ärztin ist sie auch, das vergißt man als Vater. Sadowjew seufzte laut und erhob sich. Er reckte sich, rollte mit den Armmuskeln und drückte seine Kappe fest auf den Kopf. Weiter kam er nicht. Vom Herd ließ sich Anna vernehmen.
    »Du hast etwas vor, Dimitri Ferapontowitsch!«
    »Wie wahr!« knurrte er und blieb an der Tür stehen. »Ich habe wirklich Wichtiges vor.«
    »Etwas Schlechtes …«
    »Das ist Ansichtssache. Ich werde ihnen nachschleichen und aufpassen, daß Dunja nichts geschieht! Legt er sie ins Gras, drehe ich ihm den Hals rum wie einer Taube.«
    »Du wirst hier sitzen bleiben und deine Pfeife rauchen«, sagte Anna bestimmt. »Dunja liebt ihn.«
    »Und wenn sie unterm Rock was heimbringt?« schrie Sadowjew. »Soll ich vor Schande blind werden?«
    »Wer ist uns nachgeschlichen, als wir zum Fluß gingen, he? Erinnerst du dich noch, Dimitri?« Anna, das Mütterchen, setzte sich in die Schöne Ecke und lächelte verträumt.
    »Immer diese alten Sachen!« Sadowjew tappte zurück ins Zimmer und setzte sich an den Tisch. O ja, er erinnerte sich genau. Es war das erstemal, wo er sich hinterher gefragt hatte, wieso ein so schönes Mädchen wie Anna einen Menschen wie ihn lieben konnte.
    »Ich könnte ihn anspucken, diesen Pjetkin!« sagte er und knirschte schaurig mit den Zähnen. »Ein Lagerarzt! Und so etwas kommt in unsere Familie.«
    *
    Der Mond zog breite silberne Streifen über den Fluß, als Dunja und Igor sich im Ufersand niederließen und die Arme um sich legten.
    Auf dem Weg durch das Dorf hatten sie kaum miteinander gesprochen. Die völlige Stille war wohltuend, der warme Wind, der von den chinesischen Hochebenen jenseits des Amur herüberwehte, blähte die Pumphosen Dunjas und zerfächerte Igors Haare. Eine ganze Strecke lang lief ein Hund vor ihnen her, ein kleines, struppiges, gelbfelliges Tier, lautlos wie sie und mit bernsteinfarbigen Augen. Blieben Igor und Dunja stehen, um in den silberüberhauchten Nachthimmel zu blicken oder das Blinken und Glitzern der Amurwellen zu bewundern, verhielt auch er, starrte sie an und stellte die spitzen Ohren auf. Dann trottete er weiter, auf samtenen Pfoten, aber am Dorfausgang blieb er stehen und legte sich am letzten Flechtzaun in das sandüberstäubte Gras.
    Issakowa schlief. Nur hinter ein paar Fensterläden schimmerte Licht, mattes Leben unter tief heruntergezogenen, mit dicken Holzschindeln gedeckten Dächern. Dunja zeigte auf den Lichtschimmer und wußte von allen eine Geschichte.
    Sie lachte leise und hakte sich bei Igor unter. »Es gibt schon wunderliche Menschen, selbst in Issakowa.«
    »Das größte Wunder bist du«, sagte Igor. »Unbegreiflich, unerschöpflich …«
    Es war das erstemal, daß sie sich küßten, ohne daß hinterher der Zauber durch einen Schlag vertrieben wurde. Sie umfaßte seinen Nacken und drängte sich an ihn, und er legte die Arme um Schulter und Hüften, preßte sie an sich, so fest, daß sie einen piepsenden Laut von sich gab wie ein erschrockenes Vögelchen. Dann floß über sie das Glück einer grenzenlosen Zärtlichkeit. Ihre Herzen zuckten, sie hielten einander umklammert, als müsse jeder den anderen vor dem Hinsinken stützen, Brand schlug aus ihren Lippen und schmolz sie zusammen. Man soll aus Igor keinen Heiligen machen – er war es nicht, Brüderchen. Natürlich hatte er schon seine Erlebnisse gehabt, schließlich war er sechsundzwanzig Jahre alt, und man hätte sich mit Recht gewundert, wenn er ein Weibchen nur in der Anatomie oder auf dem Untersuchungstisch gekannt hätte. Aber immer war das Erlebnis nur bis an seine Haut gekommen, nie tief in sein Herz … wenn er den süßlichen Liebesschweiß von sich spülte und die Dusche verließ, war auch die nächtliche Befriedigung von ihm abgetropft.
    Jetzt, in dieser warmen Nacht am Amur, erlebte er

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