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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zirpen.
    Sadowjew entschloß sich, das Flußufer zu kontrollieren und leise zu sein wie ein anschleichender Fuchs. Aber das war nicht nötig. Kaum war er vom Wege abgebogen und tappte durch eine lichte Buschgruppe, als er Stimmen hörte, die vom Fluß her klangen. Laute Stimmen, die eigentlich nicht in eine solche Nacht paßten.
    Oho, sagte sich Sadowjew. Sie streiten sich bereits. Das ist ein guter Anfang, der ein schnelles Ende findet. Ein braves Töchterchen ist sie, meine Dunja. Halte aus, mein Täubchen! Wehre dich gegen diesen Flegel! Ich komme, ich stürze herbei! Auch wenn er ein Doktor ist – ich will ihn anspucken, ihm ein Bein stellen und dann in den Hintern treten.
    Aber die Lage wurde anders, als Sadowjew lautlos aus den Büschen stürmte. Er sah zwei Männer, die miteinander rangen, mit den Fäusten aufeinander losschlugen und ganz so taten, als wollten sie sich umbringen.
    Sadowjew beglückwünschte sich, daß er Anna eingesperrt hatte, spuckte in die Hände, trat ein paarmal von einem Bein auf das andere und setzte sich dann mit größerer Schnelligkeit in Bewegung.
    Die beiden Kämpfenden waren so ineinander verbissen, daß sie das Auftauchen eines dritten Mannes gar nicht merkten. Ihre Fäuste schnellten vor und donnerten gegen die Körper, mal schwankte der eine, mal taumelte der andere, und Sadowjew machte die Feststellung, daß beide die Natur eines Bullen haben mußten, sonst hätten sie diese Schläge nicht überstanden. Er kam näher und rückte das Käppchen weit in den Nacken. Sieh an, der Doktor! Und der andere ist sogar ein Offizier! Was soll das?
    Sadowjew wollte gerade eingreifen und die Kämpfenden trennen, als Dunja ihn erkannte und mit heller Stimme schrie. »Er tötet ihn! Er ist stärker als er! Hilf ihm, Väterchen!«
    Sadowjew zuckte zusammen, rannte zunächst ans Ufer und schämte sich maßlos, als er Dunja nackt und zerzaust am Wasser stehen sah, zwei große Flußsteine in den Händen.
    »Er hat uns überfallen!« schrie Dunja ihn an, als er um sie herumlief und ihre Kleidung suchte. Sie lag zerknüllt im Sand. »Soll er ihn umbringen? Warum hilfst du ihm nicht? Warst du ein Kriegsheld oder nur ein armseliger Aufschneider? Da siehst du es … da … Igor schwankt … er fällt …«
    Sadowjew kam nicht mehr dazu, nach Schuld und Sühne zu fragen, wer Dunja, sein Mädchen, ausgezogen hatte, woher der Offizier kam … die Ereignisse zwangen ihn, einzugreifen und zunächst den Stärkeren abzuhalten, noch mehr Unheil anzurichten. Er lief zum Kampfplatz zurück, riß eine dicke Holzlatte, die herumlag, aus dem Sand, schwang sie über seinem Kopf und schrie: »Genug! Treten Sie zurück, Genosse!«
    »Noch eine Ratte!« brüllte der Offizier ihn an. »Wieviel Ungeziefer rennt denn hier herum?«
    Von jeher war Sadowjew ein stolzer Mensch gewesen. Wer Sadowjews Ehre antastete, war ein armseliger Mensch, der sich mit blauen Augen, gebrochenen Rippen, ausgerenktem Unterkiefer oder strotzenden Beulen während der nächsten Wochen herumquälen mußte.
    Nun, in dieser Nacht, gab es da einen Menschen, der Sadowjew Ungeziefer nannte. Unter normalen Umständen hätte man mit gleicher Phantasie geantwortet, aber hier war die Lage verworren, ein nacktes Töchterchen kauerte am Amur und schrie immerzu: »Überfallen hat er uns! Hilf uns, Väterchen!« und der gewalttätige Mensch warf sich jetzt sogar auf die Knie, schlang die Hände um Igors Hals und begann, ihn zu erwürgen. »Zuerst er!« brüllte der Widerwärtige dabei. »Bleib stehen, du säbelbeiniger Frosch! Auf den kleinen Finger spieße ich dich!«
    Sadowjew holte tief Luft. Dann schwang er die Holzlatte mehrmals um seinen Kopf, knirschte vor Wut mit den Zähnen und hüpfte vom Boden, als er die Latte auf den Kopf des Offiziers niedersausen ließ. Sie traf genau die Schädelmitte, und zwar nicht mit der flachen, sondern mit der kantigen Seite, und das ist genau so, als wenn man mit einem stumpfen Beil einen Klotz spalten will. Einen häßlichen, knackenden Laut gab es, die Hirnschale brach auseinander, und während Sadowjew durch den eigenen Schwung über den Sand kugelte, brüllte der Offizier heiser auf, umfaßte mit beiden Händen seinen Kopf und sah die Welt in Blut untergehen. Er sank nach hinten und war bereits tot, als sein Schädel die Grasbüschel zerdrückte. Sadowjew sprang auf die Füße, schulterte seine tödliche Zaunlatte und betrachtete den toten Menschen. Neben ihm lag Dunja halb über Pjetkin, rief seinen Namen, küßte

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