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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihn, massierte seinen geschwollenen Hals und warf seinen Kopf in den Händen hin und her. Das hatte Erfolg. Igor gab einen lauten Seufzer von sich, schlug die Augen auf und wollte um sich schlagen, warf Dunja von sich und stürzte sich, so wie ein Lachs aus dem Wasser schnellt, auf den Toten.
    »Laß ihn liegen, Igor«, sagte Sadowjew ungerührt. »Er spürt's nicht mehr.« Dann wandte er sich zu Dunja, betrachtete mit verkniffenen Augen ihre Nacktheit, erinnerte sich daran, daß er der Vater dieses schönen Wesens war, ließ die Latte von der Schulter wieder in seine Hände gleiten und gab Dunja einen kräftigen Schlag über das blanke Gesäß. »Wo sind wir hier, he?« schrie er, bereute bereits den Schlag und hätte am liebsten sein Töchterchen ans Herz gedrückt. »Hast du das in Chabarowsk studiert? Schamrot kann man werden, so etwas in die Welt gesetzt zu haben! Und du, was liegst du noch auf der Erde?« Er stieß Pjetkin mit der Stiefelspitze an und rollte die Augen. »Steh auf! Was hast du mir zu sagen? Ich warne dich. Wenn ich erst richtig loslege, ist eine Rakete leichter zu bremsen als ich!«
    »Er hat uns überfallen!« rief Dunja und faßte nach der Zaunlatte, zog an ihr und riß Sadowjew dadurch von den Füßen. Er stolperte, fing sich wieder und ließ die Latte fahren. Pjetkin stand und taumelte noch benommen. Luft, schrie es in ihm. Luft!
    »Nicht mehr zum Ansehen ist's!« fuhr Sadowjew in seiner lauten Klage fort. Er riß sein gesticktes Käppchen vom Kopf, zog die geflickte Jacke aus und warf sie Dunja zu. »Halt!« donnerte er. »Bleib stehen, du schamlose Stute! Willst du dich wohl bekleiden?!« Dann fuhr er wieder herum, daß die Absätze den Sand aufwirbelten und starrte Pjetkin aus kampfeslustigen Augen an. »Er wollte Dunja schänden?« schrie er.
    »So ist es«, antwortete Igor matt. In seinem Kopf summte ein ganzes Bienenvolk. Noch ein paar Sekunden, und es wäre zu Ende gewesen, stellte er fest. Die Blutzufuhr zum Gehirn war bereits unterbrochen. Er hatte die Halsschlagader abgedrückt, das Schwein.
    »Und du hast sie beschützt?«
    »Wer hätte das nicht getan?«
    »Das sagt er so daher, als wenn er gegen einen Baum pißt!« rief Sadowjew. »Ein Offizier war's! Weißt du, was das bedeutet? Morgen früh vermissen sie ihn, suchen überall, kehren das Unterste nach oben, werden jeden von uns verhören, kriechen in die Keller und Scheunen, Mieten und Strohballen, und er steht da, wackelt mit der Nase und nimmt das als selbstverständlich hin. Wer greift schon einen Offizier an? Aber du hast es getan, mein tapferes Brüderchen. Du hast Dunja beschützt. Keiner weiß, wie schwer mir's fällt, aber nun muß es sein.« Er umfaßte Pjetkin, drückte ihn an sich, zog seinen Nacken herunter, denn er war ja zwei Köpfe kleiner, und küßte ihn auf beide Wangen. Ebenso plötzlich ließ er ihn los, steckte die Hände in die Taschen und zog ein böses Gesicht. »Da liegt er nun. Ein schwerer Mensch. Wir müssen ihn wegschaffen. Diese Kanaille wird uns noch viel Arbeit machen! Fangen wir also an.«
    Sadowjew erwog mehrere Möglichkeiten, die Leiche verschwinden zu lassen. Wie man auch alles drehte und wendete – am sichersten war der Fluß. Gräber kann man entdecken, auch wenn sie noch so gut dem Boden wieder angepaßt sind. Ein Hund wittert es sofort, und sie hatten Hunde draußen im Militärlager. Aber hat schon jemand erlebt, daß man bis auf den Grund des Amur sehen kann oder daß ein Hund übers Wasser läuft und bellt?
    »Die Natur ist barmherzig«, sagte Sadowjew und packte den eingeschlagenen Schädel des Offiziers. »In ein paar Wochen haben ihn die Fische gefressen.«
    Sie schleppten den Toten bis zu dem Boot, das Sadowjew in der Nähe des Kranes angebunden hatte und mit dem er manchmal hinaus auf den Strom ruderte, zwei Angeln auslegte und wartete, bis ein Fisch anbiß.
    Siebenmal mußten Sadowjew und Pjetkin den schweren Körper des Offiziers absetzen und ins Gras legen, bis sie den Kran und das Boot erreicht hatten. Dunjas Arbeit war es, die Spuren hinter ihnen zu verwischen. Über den Platz, wo die Schädeldecke des Offiziers zerplatzt war und wo das Blut in einer großen Lache versickerte, streute sie sauberen Sand, verteilte Flußkiesel darüber und pflanzte sogar einige Grasbüschel um. Sadowjew, der nach der dritten Rast zurücklief und das Werk begutachtete, streckte den Arm gebieterisch aus und sagte »Tritt abseits, Töchterchen. Geh ein paar Meter weiter. Was jetzt kommt, ist

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