Heiß wie der Steppenwind
Roten Armeen? Heute heißt es Kaliningrad und ist das ersehnte Tor Rußlands in die Ostsee. Ein eisfreier Hafen. Schon Peter der Große träumte von ihm.
»Und die Braut, die Glückliche?« fragte Sulukow und klappte den Paß zu.
»Dunja Dimitrowna Sadowjewa. Ärztin.«
»Welch eine vorzügliche Wahl!« rief Sulukow.
»Tochter des Dorfsowjets Dimitri Ferapontowitsch Sadowjew in Issakowa. Wir möchten so schnell wie möglich heiraten, Genosse. Eine Versetzung nach Irkutsk treibt zur Eile. Können Sie den Vorgang beschleunigen?«
»Wie der Wind ins Kornfeld werde ich blasen, verlassen Sie sich auf mich, Genosse.« Sulukow steckte den Paß in die Schreibtischschublade. Das war ungewöhnlich, aber Pjetkin dachte, es müßte so sein. Wer zum erstenmal heiratet, denkt ja wie ein Schaf, liebe Freunde. »Ich rufe Sie im Lager an. Morgen schon, oder übermorgen. Bestellen Sie der Genossin Dunja, sie soll schon ihren Schleier säumen. Und wenn Sie ein Kinderbettchen brauchen – der Tischler Malinowskij in der Pratoskaja ist bekannt für seine Möbel, haha …«
Sulukow war in bester Laune, begleitete Pjetkin zur Tür, wartete, bis er die Treppe hinuntergegangen war und sich durch die Eingangshalle entfernte. Er rief bei der Medizinverwaltung in Chabarowsk an und las vor, was er notiert hatte. Der Genosse Pjetkin, geboren in Königsberg – wie ist das zu erklären? – beabsichtigt, die sowjetische Ärztin Dunja Sadowjewa zu heiraten. So schnell wie möglich. Was haltet ihr davon, Genossen?
»Das ist unmöglich!« sagte eine Stimme im fernen Chabarowsk. »Völlig ausgeschlossen. Wir werden das regeln.«
»Die Braut ist eine achtbare Person«, sagte Sulukow hellhörig. »Ärztin wie Dr. Pjetkin. Welcher Hinderungsgrund liegt eigentlich vor?«
»Ein ganz einfacher. Sie haben es schon mit Zögern im Paß gelesen, Genosse.« Die Stimme in Chabarowsk, sie gehörte dem Chef der Medizinverwaltung, einem Oberstarzt Abranskij, wurde unpersönlicher, kälter. »Pjetkin ist ein Deutscher …«
Sulukow holte tief Atem, es röchelte in seiner Brust vor Erregung.
»Aber Pjetkin ist doch Russe! Lagerarzt! Wie ist das zu begreifen?«
»Das sind Fragen, die in Moskau beantwortet werden. Wenden Sie sich dorthin, wenn Sie neugierig sind, Genosse«, sagte die kalte Stimme in Chabarowsk.
»Was soll ich also Pjetkin sagen?« fragte er. »Ich muß ihn anrufen.«
»Nichts. Schweigen Sie. Den Paß holen wir morgen ab. Noch Fragen, Genosse?«
»Keine.« Sulukow knickte in der Magengegend ein. Die Kälte der Stimme war greifbar … er starrte das Telefon an und wartete darauf, ob Eiszapfen entstanden. »Ich bin verwirrt, Genosse.«
»Bleiben Sie so und vergessen Sie, was Sie jetzt wissen!«
Sulukow nickte schwach und ließ den Hörer auf die Gabel fallen.
Wie sagen die Mongolen? Im Sattel ist ein Bettler König. Sulukow beschloß, fest im Sattel zu bleiben und Igor Antonowitsch Pjetkin zu vergessen.
*
Pjetkin kehrte ins Lager Sergejewka zurück, glücklich und ahnungslos. Er hatte vom Bahnhof aus sofort Dunja angerufen und ihr geschildert, welcher höflicher und hilfreicher Mensch der Leiter des Heiratspalastes sei und daß man sicherlich schon nächste Woche heiraten könne. Danach war Sadowjew ans Telefon gekommen, hatte sich auch noch einmal alles erklären lassen und sagte mit väterlicher Sorge: »Igorenka, das alles kommt ein wenig plötzlich und sehr übereilt. Aber es muß sein, ich sehe es ein. Bring aus der Stadt ein Stück Schleier mit. Du bist nun einmal da, und wir sparen eine Extrafahrt nur wegen dieses Stoffes.«
Bis zur Abfahrt des Zuges war Pjetkin durch Blagowjeschtschensk gerannt, vom Kaufhaus bis zu dem Spezialgeschäft für Brautausstattungen, das ihm der Schreiber des Hochzeitspalastes empfahl, denn wo soll ein Mann einen Schleier kaufen, und so holte er sich Rat bei denen, die täglich damit zu tun hatten. Es war erstaunlich, wie viele Menschen heiraten, denn Pjetkin mußte sich vor dem Spezialgeschäft anstellen, war der neunzehnte in der Reihe und stand dann ratlos vor der jungen Verkäuferin, die ihm drei Muster vorlegte. Hauchzarte Gespinste, die in der Hand nichts wogen und doch eine Unmenge Rubel kosteten.
»Meistens suchen die Bräute selbst ihren Schleier aus«, sagte die Verkäuferin, als Pjetkin unschlüssig die Stoffe miteinander verglich. Er wurde rot, blieb mit dem Nagel in einem Gewebe hängen und entschuldigte sich.
»Welchen Schleier würden Sie nehmen, Genossin?« fragte er.
»Ist Ihre
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