Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Kopfverletzung«, sagte sie mit der unpersönlichen Stimme aller Klinikärzte. »Glassplitter in der Schädeldecke. Ein Rollbett soll zu mir kommen … ja, Sie hören richtig, Genosse: zu mir. Der Unfall liegt in meinem Bett. Dr. Tschepka, Sie vermuten richtig. Hat er auch mit Ihnen eine Wette abgeschlossen? Beeilen Sie sich, sonst verblutet er. Man soll nicht glauben, welch eine gute Waffe eine einfache Limonadenflasche ist. Die Genossen in der Glaszieherei haben gute Arbeit geleistet – es ist ein vorzügliches, hartes Glas.«
    Am nächsten Morgen saß Dunja Dimitrowna zum erstenmal dem geheimnisvollen Mann in dem kleinen, unbekannten Büro gegenüber. Ein freundlicher, dicklicher Mensch mit schwarzen Locken und einer fleischigen Nase, auf der drei Pickel glänzten. Er zeigte auf einen Stuhl vor dem Tisch, sagte: »Sie können rauchen, Genossin«, und blätterte in einem Schriftstück. »Der Genosse Tschepka wird linksseitig gelähmt bleiben«, sagte er gleichgültig. »Wissen Sie das?«
    »Nein. Ich bedauere das.«
    »Die neurochirurgischen Kollegen, zu denen man Tschepka sofort gebracht hat, sehen keine Hoffnung. Sie haben einen verteufelten Schlag, Dunja Dimitrowna.«
    »Ich habe Tschepka gewarnt.«
    »Müssen Sie ihn dann gleich zum Krüppel schlagen? Ein nackter Mann, das ist doch kein Grund, sein Leben zu vernichten. Wissen Sie, daß ich Anklage wegen Mordes erheben kann?«
    »Ich werde mit Anzeige wegen Vergewaltigung antworten.«
    »Wo sind die Beweise?« Der dicke Mensch sah Dunja freundlich an. Aber in dieser Väterlichkeit steckte die ganze unbrechbare Macht des KGB. »Was können Sie anführen, Dunja Dimitrowna? Ein nackter Mann in Ihrem Bett. Gegenfrage: Wieso ist er nackt? Warum haben Sie geduldet, daß er sich überhaupt vor Ihnen entblößte?«
    »Er lag schon nackt in meinem Bett, als ich von einer Unfallaufnahme zurückkam.«
    »Beweise! Wer soll Ihnen das jemals glauben?« Der freundliche Mensch wedelte mit beiden Händen, als Dunja erneut antworten wollte. »Sparen wir uns alle unnützen Worte. Das einzige, was gilt, ist mein Bericht, sind meine Ermittlungen, ist die Ansicht, die ich über den Fall Tschepka vertrete. Ich sitze hier, um logisch zu denken und die anderen Menschen zu dieser Logik anzuregen. Hier ist ein Papier!« Er hielt einen Bogen hoch und ließ ihn dann auf die Tischplatte zurückflattern. »Auf dem steht, was Sie getan haben, Dunja. Mordversuch an Dr. Tschepka mit einer Flasche. Unweiblich, brutal, abscheulich und unästhetisch. Wenn ich es abgebe, dieses Papierchen, wird man Sie verhaften und verurteilen … das ist so sicher, wie die Angara im Winter vereist. Aber was soll's, Genossin? Sie sind eine gute Ärztin, Sie können dem sowjetischen Staat noch lange nützen, wir haben kein Interesse, gerade hier im jungfräulichen Land die besten Arbeitskräfte zu isolieren. Wir brauchen jede Hand. Also bleibt uns ein anderer Weg.« Er hob ein zweites Schriftstück hoch, wedelte damit durch die Luft und ließ es dem anderen nachflattern. »Ein einziges Wort genügt, Genossin … Ihre Unterschrift. Weiter nichts. Dann wird Tschepka in eine Anstalt gebracht, wir sorgen für den Armen, und zu Ihnen wird nicht mehr davon gesprochen. Sie haben richtig gehandelt, sich dieses wilden Ebers zu erwehren. Sie haben Ihre Ehre geschützt, das fordert Anerkennung. Sollte man diese beiden Wege nicht genau überlegen? Bitte …«
    Er schob Dunja das letzte Papier zu. Sie warf einen Blick über die wenigen Zeilen und schob es energisch zurück. Ein Verzicht auf Pjetkin.
    »Nein«, sagte sie hart und stand auf. »Ich werde Igor Antonowitsch wiedersehen. Der Preis ist mir zu hoch.«
    »Auf der anderen Seite Zuchthaus und Verbannung.«
    Der freundliche Mensch schabte über die Pickel seiner dicken Nase. Er war auch nur ein Mann, und der Anblick Dunjas war erfreulich und herzstärkend. Er dachte an die Lager in der Steppe, in den Wäldern und oben am Eismeer, an dieses andere Sibirien, in dem sich das Grauen von Jahrhunderten aufgehäuft hatte. Er dachte an die Wolke aus millionenfachen Flüchen, die über Karaganda und Workuta, über Kolyma und die Lena hing, und er versuchte es noch einmal, entgegen seinen Vorschriften, nur an das Gesetz zu denken, nicht an den Menschen. »Dunja Dimitrowna … seien Sie nicht blind! Eine Formsache ist diese Unterschrift. Nur der Abschluß eines schon gelaufenen Verfahrens. Sie werden mit Pjetkin nicht mehr zusammentreffen.«
    »Das glauben Sie …«, sagte Dunja

Weitere Kostenlose Bücher