Heiß wie der Wuestenwind
ihrem Leben."
Lisbet hielt inne. „Sie hatte sich in den König verliebt. Oft redeten sie bis spät in die Nacht, über alles Mögliche, Staatsgeschäfte, Astronomie und so weiter. Er ließ sich von ihr sogar Ratschläge geben. Zum ersten Mal war sie einem Mann begegnet, der ihr intellektuell ebenbürtig war. Und sie hatte einen niedlichen kleinen Sohn. Nie zuvor war für Rose das Leben so schön gewesen. Die anderen Frauen im Harem waren natürlich immer noch verzweifelt und wollten fliehen. Rose musste also eine Wahl treffen."
Jafar schüttelte den Kopf. „Eine Wahl? Was gab es da zu wählen? Sie hatte einen Mann und ein Kind. Was konnte ihr mehr bedeuten als das?"
Lisbet sah ihn ungläubig an. „Jaf, er war nicht ihr Mann, er war ihr Besitzer. Die Alternative war Freiheit."
Zorn glimmte in seinen Augen auf.
In dem Augenblick erschien erneut die junge Frau und servierte den zweiten Gang.
„Oh, das duftet ja wundervoll!" rief Lisbet, als der Teller vor ihr auf den Tisch gestellt wurde. Das Lammfleisch fiel bei der leichtesten Berührung mit der Gabel auseinander, und der Duft nach Kräutern und Gewürzen war einfach unbeschreiblich.
Eine Zeit lang aßen sie schweigend, denn in den Barakatischen Emiraten nahm man das Essen sehr ernst, und es gab keine Regel, die zu Konversation verpflichtet, während man eine Mahlzeit ein nahm.
Als sie wieder anfingen zu reden, drehte sich das Gespräch hauptsächlich um das Essen. Erst als der Hauptgang beendet war, kam Jafar auf den Film zurück.
„Du warst dabei, mir die Geschichte von Rose zu erzählen."
„Nun, nach endlosem Nachdenken beschloss Rose, mit den anderen Frauen zu fliehen. Sie wusste, dass sie eines Tages nicht mehr die Favoritin des Königs sein würde. Ihr ganzes Lebensglück: hing völlig von seiner Gnade ab. Sie jedoch wollte ein selbstbestimmtes Leben. Und sie wollte ihre Freundinnen nicht im Stich lassen, die so lange auf die Flucht hingearbeitet hatten. In der verabredeten Nacht versammelten sich die Frauen in Roses Gemächern und verkleideten sich als Männer. Als der ganze Palast im Schlaf lag, küssten die Frauen ihre schlafenden Kinder zum Abschied."
„Sie haben ihre Kinder nicht mitgenommen?"
„Das konnten sie nicht. Es wäre viel zu riskant gewesen. Rose schreibt, dass sie es sich fast anders überlegt hätte, als sie sich zum letzten Mal über ihren kleinen Sohn beugte."
„Das kann keine wahre Geschichte sein. Glaubst du das, Lis bet? Dass eine Frau freiwillig ihr Kind verlässt? Könntest du so etwas tun?"
„Sie waren ungefragt in diese Lage gebracht worden, Jaf. Sie waren nicht freiwillig in den Harem gekommen, oder? Keine von ihnen ging freiwillig ins Bett des Königs."
„Außer Rose."
Sie ging nicht auf diesen Einwurf ein. „Der Eunuch führte sie aus dem Harem und durch geheime Gänge aus dem Palast hinaus. Als sie schließlich am Hafen waren, verschwand der Eunuch auf geheimnisvolle Weise."
„Ah."
„Ja. Und der Kapitän des Bootes, das der Beschreibung des Eunuchen entsprach, leugnete, irgendetwas von der Sache zu wissen. Sie waren verraten worden. Rose erfuhr niemals, ob es der Kapitän war oder der Eunuch, der sie betrogen hatte. Aber so oder so bald würde man nach ihnen suchen. Man würde sie finden
und zum Tode verurteilen. Rose hatte ihre übrig gebliebenen Juwelen mitgebracht. Es gelang ihnen, sie gegen Pferde und Waffen zu tauschen. Anstatt über das Meer flohen sie jetzt ins Landesin nere, in die Wüste. Irgendwann fanden sie eine Oase mit einer Ruine. Dort richteten sie ihr Lager ein."
Jafar blickte skeptisch drein. „Und dort haben sie ihr weiteres Leben verbracht?"
„Sie wurden Banditen, Rivalinnen des berühmt berüchtigten Abu Tariq, der ein riesiges Gebiet der barakatischen Wüste kontrollierte. Er war übrigens der Großvater jenes Selim, der seinerseits der Großvater des Prinzen Jalal war."
Jafars zog die Brauen hoch. „Und wie soll es Rose gelungen sein, in der Wüste zu überleben, die noch dazu vom großen Abu Tariq kontrolliert wurde?"
„In ihren Memoiren steht, dass Abu Tariq sie nach der ersten Begegnung in Ruhe ließ. Es gab wohl ein stillschweigendes Abkommen, demzufolge Rose die uneingeschränkte Kontrolle über ein begrenztes Territorium erhielt. Sie erklärt nicht genau, wie das vor sich ging, aber es wäre ja möglich, dass sie bei Abu Tariq ihr im Harem erworbenes Wissen angewandt hat, genau wie zuvor beim König.
Es gibt auch Historiker, die davon ausgehen, dass sie die
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