Heiß wie der Wuestenwind
verkraftet. Sie und ihr Vater waren sich früher besonders nah gewesen, vielleicht weil sie die erste Tochter nach zwei Söhnen gewesen war.
War sein Verrat für sie deshalb schwerer zu ertragen gewesen als für die anderen?
„Woran denkst du, Lisbet, du schaust so ernst?" unterbrach Jafar ihre melancholischen Gedanken.
Sie blickte auf und sah ihm in die Augen, hin-und hergerissen zwischen den widersprüchlichsten Gefühlen. Wenn sie seine Lie be angenommen hätte, als er sie ihr anbot, würde ihr bei ihm dann das gelingen, was ihr bei ihrem Vater nie gelungen war? Ihn von seiner Sucht abzubringen. Oder würde sich nur das gleiche Drama wiederholen?
Sie würde es nie erfahren.
Für uns ist es zu spät, Lisbet...
Diese Worte würden wohl eines Tages auf ihrem Grabstein stehen.
Ein von Fackeln beleuchteter Weg aus Marmorplatten verband das Wasserspiel, bei dem Lisbet und Jafar standen, mit einem kunstvoll umrahmten und überdachten Springbrunnen. Gazi und Anna kamen von dort gerade auf sie zu.
Jafar blickte auf seine Armbanduhr. „Wir sind gleich an der Reihe, dem Sultan und der Sultanin vorgestellt zu werden", erklärte er, als die beiden sich zu ihnen gesellte.
Der prachtvolle Pavillon, in dem sich die vier königlichen Paare - das Sultanspaar, die drei Prinzen mit ihren Gemahlinnen -und die königlichen Gäste befanden, stand im Zentrum des Parks, Davor lag ein Springbrunnen, dessen Fontäne hoch aufstieg. Abertausende von Kerzen und Fackeln spiegelten sich darin wider. Eine Treppe, auf der die Männer der Palastwache in ihren traditionellen Uniformen Spalier standen, führte hinauf in den Pavillon.
„Diese Krummsäbel sind keineswegs nur Dekoration, auch wenn sie vielleicht so aussehen", erklärte Jafar leise. „Mit der Sicherheit nimmt man es hier viel genauer, als es den Anschein hat."
In der Tat waren sämtliche Gäste schon am Eingang des Parks einer genauen Kontrolle mit dem Metalldetektor unterzogen wor den.
„Warum eigentlich?"
„Weil es immer noch Leute gibt, die einen Sturz der Prinzen von Barakat begrüßen würden. Ghasib war keineswegs der einzige Mann mit teuflischem Ehrgeiz in diesem Teil der Welt. Sieh mal dort hinauf."
Lisbet folgte Jafars Blick. Über ihnen auf dem Dach des Pavillons bewegten sich geheimnisvolle Gestalten. In der Dunkelheit waren sie nur schemenhaft zu erkennen.
„Der Geheimdienst hat heute Nacht einen seiner größten Einsätze."
Jafars Aufgabe als Tafelgefährte war die Förderung des kulturellen Austauschs zwischen Westbarakat und dem Ausland, das wusste Lisbet. Sie fragte sich nun, wieso er so gut Bescheid über diesen Einsatz des Geheimdienstes wusste.
„Bist du auch im Einsatz heute Abend?"
„Alle Tafelgefährten sind jederzeit im Einsatz, um das Leben der Prinzen zu schützen", erwiderte er.
Unwillkürlich legte er die Hand auf den Knauf seines prachtvoll verzierten Säbels.
„Ist dein Säbel auch mehr als Dekoration?"
Er lächelte. „Es ist der Säbel meiner Vorfahren. Feinster Jawharstahl und genau so tödlich wie am ersten Tag."
Langsam schritten sie hinter Gazi und Anna die Stufen hinauf. Lisbet stockte der Atem, als sie zu den königlichen Paaren aufblickte. Es war überwältigend. Ganz gleich, wie viele Fotos man gesehen haben mochte, nichts ließ sich vergleichen mit dem Anblick von fünf herrschenden Monarchen - denn die Sultanin hatte die gleiche Regierungsmacht wie ihr Gemahl -, die sich an einem Ort versammelt hatten.
Jeder von ihnen war prunkvoll in feinste Stoffe, Gold und Edelstein gekleidet, und jeder von ihnen war eindeutig zu erkennen für jeden, der Zeitung las oder die Nachrichten sah.
Doch es ist etwas völlig anderes, ihnen persönlich zu begegnen, dachte Lisbet, als sie ihre erste Verbeugung machte und dem Prinzen vorgestellt wurde, dem Jafar verwandtschaftlich am nächsten stand.
Schließlich standen sie vor dem bagestanischen Sultanpaar. „Seine Exzellenz, Jafar Zaki ibn Bassam al Hafez al Hamzeh, Miss Lisbet Raine", verkündete eine Stimme, und Lisbets Blick begegnete dem Lächeln einer wunderschönen Dame. Kaum zu glauben, dass das Dana Morningstar war.
Die Sultanin trug ein atemberaubend schönes Gewand in Lila und Türkis, kunstvoll mit Goldfäden durchwirkt und übersät mit glitzernden Steinchen und winzigen goldenen Spiegeln. In ihrem prachtvollen schwarzen Haar steckte eine kleine goldene, mit Diamanten besetzte Krone.
Der Sultan neben ihr wirkte unglaublich majestätisch, ganz in Gold, Perlen und
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