Heiß wie der Wuestenwind
Diese schreckliche, unerwartete Bedrohung durch einen Fremden hatte ihr plötzlich etwas klar werden lassen.
Nicht nur, dass sie Jafar aus tiefstem Herzen liebte - ihn zu verlassen, das wäre, als würde ihr jemand das Herz aus dem Leib reißen.
Zum ersten Mal verstand Lisbet, dass für ihre Mutter die Schwangerschaft, die ihr die Chancen auf eine Karriere als Schauspielerin verdorben hatte, mehrere Seiten gehabt hatte. Ein Teil von ihr hatte sich nämlich ein Leben mit ihrem Geliebten gewünscht.
Und zum ersten Mal verstand sie auch, dass es Liebe war, was ihre Eltern zusammengehalten hatte, so hart ihr gemeinsames Leben auch gewesen sein mochte. Es war, als schaute Lisbet auf ein Bild, auf dem man zunächst nur ein wirres Muster sah und erst nach längerer Betrachtung das eigentliche Motiv erkannte.
In ihrem Unterbewusstsein war es ihr vielleicht schon lange
klar gewesen. Es war weniger Jafars besitzergreifende Liebe, die sie erschreckt hatte, sondern dass sie seine Liebe voll und ganz erwiderte.
Es waren ihre eigenen Gefühle, die ihr Angst gemacht hatten. Die Erfahrungen ihrer Kindheit hatten sie gelehrt, Angst vor der Liebe zu haben.
Aber jetzt hatte sie nur noch Angst vor dem Mann, der versuchte, sie zu bestechen, damit sie Jafars Ruin herbeiführte.
Es war schon ziemlich spät, als Lisbet auf die Terrasse trat, auf der normalerweise das Frühstück eingenommen wurde. Gazi und Jafar waren schon in geschäftlichen Dingen unterwegs, hatte ihr das Mädchen gesagt, das frischen Kaffee in die Kanne füllte. Anna war in ihrem Atelier und arbeitete.
Nadia war mit der Kleinen in die Stadt gefahren.
Lisbet ließ das Frühstück ausfallen und schwamm ein paar Runden im Pool..
Wie gut, dass sie eine Drehpause hatte. Eine der Haremskulis sen musste neu aufgebaut werden. Für mindestens eine Woche würde ihre Anwesenheit am Set nicht notwendig sein.
Trotzdem setzte sie sich später an den Tisch und nahm ihr Skript zur Hand, um sich auf die nächsten Szenen vorzubereiten.
Aber es gelang ihr nicht, sich zu konzentrieren. Immer wieder begann sie, über die Szene vom Abend zuvor zu brüten. Merkwürdig, dass ein so großartiges Ereignis wie der königliche Empfang von einem zweiminütigen Gespräch völlig überschattet werden konnte. Merkwürdig, wie leer ihr Kopf plötzlich war, wenn sie versuchte, an die Zukunft zu denken.
„Wir wär's mit einem Drink?" Anna kam über die Terrasse auf sie zugeschlendert.
Dankbar über die Unterbrechung blickte Lisbet auf.
Anna trug einen pinkfarbenen Badeanzug unter ihrem weißen Frotteemantel. Sie strahlte heitere Zufriedenheit aus. Lisbet musste an die Frau denken, die Anna noch vor einem Jahr gewesen war. Viel zu dünn war sie gewesen und tief deprimiert wegen des Mannes, der sie verlassen hatte, und wegen ihres Kindes, das bei der Geburt gestorben war.
Jetzt war sie eine glückliche Frau. Könnte ich doch auch so glücklich werden! dachte Lisbet. Doch es war vielleicht typisch für jemanden mit einer unglücklichen Kindheit, die Fehler der Eltern zu wiederholen. Deshalb hatte sie sich wohl in einen Mann verliebt, der suchtkrank war.
Nein, wenn sie jemals von Jafar schwanger werden würde, dann könnte sie nie dieselbe uneingeschränkte Freude darüber empfinden wie Anna, die ein Kind von Gazi erwartete. Für sie, Lisbet, gäbe es immer nur gemischte Gefühle. Ihr Glück, wenn es denn eines gäbe, würde immer mit Zukunftsangst verbunden sein.
Und wenn, was viel wahrscheinlicher war, Jafar sie niemals wieder lieben würde, wie lange würde sie brauchen, um darüber hinwegzukommen? Würde sie überhaupt wieder einen Mann so lieben können wie ihn?
Anna brachte einen großen Krug und zwei Gläser zu dem Tisch, an dem Lisbet saß.
„Das macht das Personal zwar immer ganz verrückt", bemerkte sie lächelnd. „Aber ich finde, wenn man sich bei jeder Kleinig keit bedienen lässt, verliert man die Selbstdisziplin. Wenn man damit aufwächst, ist es wohl etwas anderes. Hier, dein Lieblingscocktail."
„Hm."
Anna füllte die Gläser und setzte sich. Eine der gelben Blüten, die sich an der Wand hochrankten, streifte ihre Wange. Sie hielt sie fest und roch daran. „Ist diese Terrasse nicht ein wahres Paradies?
Selbst wenn es glühend heiß ist, kann man sich hier noch wohl fühlen. Wie findest du Jafars Haus? Ich selbst war noch nie dort."
Eine Weile plauderten sie über Häuser, aber Lisbet war das Herz zu schwer, um unbekümmert zu sein.
„Etwas ist passiert letzte
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