Heiß
Reporter das erste Mal in Niederösterreich eher durch Zufall in eines jener alten, fast unbekannten Archive geriet, das von einem pensionierten Lehrer betreut wurde, da eröffnete sich mir eine neue Welt. Der Charme, die Stille und die Faszination der fleckigen braunen Boxen auf den alten Brettern, der Reihen von ledergebundenen Büchern und Aktenstapel werden mir immer in Erinnerung bleiben. Der Professor in der Kleinstadt im Norden Österreichs wurde zu einem Freund. Vielleicht spürte er instinktiv meine Leidenschaft für Erinnerungen und schätzte meine Behutsamkeit im Umgang mit den Dokumenten, Bildern und Plakaten. Eines Tages, als er krank im Bett lag und ich wieder einmal vor der Tür stand, um etwas zu recherchieren, drückte er mir den Schlüssel in die Hand. »Du kennst dich sowieso schon aus«, meinte er und nickte gedankenverloren, wie zu seiner eigenen Bestätigung. Für mich hatte das mehr Bedeutung als ein Ritterschlag. Deshalb erinnere ich mich heute noch daran.
Die paar Räume, deren Fenster auf den kleinen Hauptplatz und eine kaum befahrene Gasse gingen, waren ruhig und kühl. Es roch nach Papier und Staub, der Boden knarrte. In einer Ecke, die ich vorher nie betreten hatte, stand eine schwarze Jugendstil-Sitzgarnitur der Wiener Werkstätten. Wie sie hierhergekommen war, das blieb für immer ein Rätsel. Ich traute mich nicht, mich auf die alte Bank zu setzen, aus Respekt und aus Vorsicht. Nachdem ich bald jene Plakate gefunden hatte, die es sonst in Österreich nicht mehr gab, stellte ich gewissenhaft alles wieder an seinen Platz, rückte selbst den Sessel vor dem alten Schulschreibtisch wieder zurecht, kontrollierte die Lage der Bleistifte und Notizzettel. Nichts sollte an den Eindringling erinnern, die alte Ordnung bewahrt werden.
Es gibt Dinge, die verändert man nicht, sie verändern einen …
Alte Archive … sie bringen irgendetwas in mir zum Klingen, erschaffen Bilder und Gefühle, erwecken die Sehnsucht danach, die brüchigen Deckel zu heben und in Leben zu schauen, die lange abgeschlossen sind. Vielleicht warten viele dieser oft vergessenen Kleinode auch nur darauf, endlich wieder zum Leben erweckt zu werden. So war es auch mit den Ereignissen in diesem Buch. Viele Schicksale, die aufregender sind, als man es je erfinden könnte, liegen im Verborgenen, drohen dem Vergessen anheimzufallen. Ihre Entdeckung ist meine Passion, ihnen nochmals Farben zu geben, eine Persönlichkeit und ihre Geschichte zu erzählen meine Aufgabe.
Lange Gänge mit Neonröhren und summenden Klimaanlagen, lückenlosen Verzeichnissen und straff organisierten Besuchszeiten sind nicht mein Fall. So wichtig sie sind, so effizient sich darin arbeiten lässt, so fehlt ihnen doch die Atmosphäre, die mich motiviert. Vielleicht brauche ich das Flair des Geheimnisses und des Abenteuers der Suche nach Dingen, die noch nicht erfasst sind, noch nicht katalogisiert, noch nicht abgehakt.
So wird mich mein Weg auch in Zukunft immer wieder abseits der ausgetretenen Pfade führen, weg von der Hauptstraße, hinein in die Nebengassen der Erinnerung. Die Idee zu diesem Buch ist auch auf einem dieser Spaziergänge entstanden, als ich zufällig eines späten Sommernachmittags in Berlin vor einer riesigen Halle stand, die ich noch nie vorher wahrgenommen hatte. Ich schrieb gerade an
Falsch,
fast vierzehn Stunden täglich, und musste mich zwingen, den PC und den Schreibtisch zu verlassen und die Stadt zu erkunden, um mir die Füße zu vertreten und frische Luft zu tanken. So kam ich zur großen Turbinenhalle der ehemaligen AEG -Werke, die wundersamerweise die Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs unbeschadet überstanden hatte. Die beiden Pförtner waren äußerst hilfsbereit und überreichten mir nach einigem Suchen die dünne, farbige Broschüre zur Geschichte der Stahlkonstruktion.
Am selben Abend noch setzte ich mich hin und brachte die ersten Seiten dieses Buches zu Papier. Damit war beschlossen, dass die Geschichte um John Finch und die Oase von Chinguetti, die Mauren und die Volksgruppe der Kalash, den Sarg Alexanders des Großen, das Staatsgold Polens und die unruhigen Zeiten in Nordafrika nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt werden wollte. Das Resultat halten Sie nun in Händen, und mir bleibt nur zu hoffen, dass es Ihnen gefallen hat.
Heiß
ist nach
Falsch
das zweite Abenteuer von John Finch und Major Llewellyn Thomas. Zu Beginn des ersten Buches war keineswegs abzusehen, ob die beiden auch weiterhin gemeinsam Abenteuer
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