Heiße Hüpfer
stabil geblieben wäre.
Die Zeichnung eines Baums zierte die Felswand. Es war die einfachste Zeichnung eines Baums, die der Quästor gesehen hatte, seit er alt genug war, um Bücher zu lesen, die nicht nur aus Bildern bestanden. Gleichzeitig stellte sie auch die genaueste Zeichnung dieser Art dar. Sie wirkte einfach, weil sich das Komplexe auf ein Minimum beschränkte. Jemand schien Bäume gezeichnet und mit der üblichen grünen Wolke an einem Stock begonnen zu haben, um die Darstellung anschließend immer weiter zu verfeinern und nach jenen Teilen der Linie zu suchen, die Baum sagten. Das Ergebnis war schließlich ein Strich, der BAUM sprach.
Wenn man genau hinsah, konnte man hören, wie der Wind im Wipfel rauschte.
Der Alte bückte sich und griff nach einem flachen Stein mit etwas Farbmasse darauf. Er zeichnete eine weitere Linie an die Felswand, wie ein abgeflachtes V, und schmierte anschließend Schlamm darauf.
Der Quästor lachte, als Flügel aus der Zeichnung kamen und an ihm vorbeiflatterten.
Und erneut spürte er einen seltsamen Effekt in der Luft. Er erinnerte ihn an… ja… an den alten »Gummi« Hauser, so lautete sein Name. Er war natürlich längst tot, aber seine Kommilitonen erinnerten sich an ihn als den Erfinder des Graphischen Apparats.
Der Quästor war zur Universität gekommen, als zukünftige Zauberer ihre Ausbildung früh begannen: irgendwann nachdem sie laufen gelernt hatten und bevor sie damit begannen, Mädchen auf dem Spielplatz zu schubsen. Zeilen zu schreiben war eine der am häufigsten eingesetzten Strafen, und wie alle anderen hatte der Quästor versucht, mehrere Stifte an einem Lineal zu befestigen, um auf diese Weise zum Beispiel drei Zeilen gleichzeitig zu schreiben. Der nachdenkliche, introvertierte Hauser hingegen ging die Sache anders an. Er besorgte einige Holzteile, holte die Federn aus einer Matratze und entwickelte erst den Vier-, dann den Acht- und danach den Sechzehn-Zeilen-Schreibapparat. Die Vorrichtung erfreute sich solcher Beliebtheit, daß die Jungen absichtlich gegen die Vorschriften verstießen, um den Apparat für drei Cent verwenden oder für einen Cent dabei helfen zu dürfen, ihn aufzuziehen. Die Vorbereitung des Apparats nahm mehr Zeit in Anspruch, als man durch seinen Einsatz sparte, aber das ist bei vielen ähnlichen Techniken der Fall und ein Zeichen des Fortschritts. Die Experimente fanden ein tragisches Ende, als jemand im falschen Augenblick die Tür öffnete und Hauser von der aufgestauten Kraft des Prototyps eines 256-Zeilen-Schreibapparats durch ein Fenster im vierten Stock nach draußen geschleudert wurde.
Die Hand, die nun ganz einfache Linien an die Felswand malte, brachte Erinnerungen an Hauser – es fehlten nur die Schreie. Der Quästor gewann den Eindruck, daß mit kleinen Dingen Großartiges geleistet wurde.
Er setzte sich und schaute zu. Später, wenn sein Gedächtnis einigermaßen zuverlässig funktionierte, erinnerte es sich daran, daß er nie zuvor in seinem Leben glücklicher gewesen war.
R incewind hob den Kopf und sah, wie sich der Helm eines Wächters auf dem Boden drehte.
Zu seinem großen Erstaunen waren die Männer noch immer da: In verschiedenen Haltungen lagen sie in der Nähe, waren entweder bewußtlos oder klug genug, sich bewußtlos zu stellen. Wie eine Katze verlor Truhe schnell das Interesse an Dingen, die sich selbst nach einigen Tritten nicht zur Wehr setzten.
Hier und dort bemerkte Rincewind Schuhe. Truhe drehte sich im Kreis und humpelte dabei ein wenig.
Der Zauberer seufzte und stand auf. »Zieh die Schuhe aus«, sagte er. »Sie stehen dir nicht.«
Ein oder zwei Sekunden verharrte Truhe in Reglosigkeit. Dann klapperten die restlichen Schuhe gegen die Mauer.
»Und das Kleid. Was würden diese netten Damen von dir denken, wenn sie dich so sähen?«
Truhe schüttelte einige letzte mit Pailletten besetzte Reste von sich ab.
»Dreh dich um. Ich möchte deine Griffe sehen. Nein, du sollst dich umdrehen, richtig umdrehen. Ah, dachte ich mir. Dreh dich um. Diese Ohrringe… Eigentlich kannst du doch gar nichts damit anfangen.« Er sah genauer hin. »Ist das ein eiserner Beschlag? Hast du deinen Deckel durchstechen lassen?«
Truhe wich zurück, und ihr Gebaren vermittelte, daß sie bei Schuhen, Kleid und Ohrringen nachgeben würde, doch vom eisernen Beschlag wollte sie sich auf keinen Fall trennen.
»Na schön. Gib mir jetzt meine saubere Unterwäsche. Aus dem Zeug, das ich derzeit trage, könnte man Regale
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