Heiße Hüpfer
Flecken zeigten, sondern auch
schwarze. Er griff nach einem Stock und löste ganz vorsichtig den Hut
vom Kopf des Toten.
Eine kleine, achtbeinige Kugel aus dunklem Pelz sprang daraus hervor
und biß in den Stock, der sofort zu qualmen begann. Rincewind legte ihn
behutsam beiseite, nahm den Hut und lief fort.
Ponder seufzte.
»Ich möchte keineswegs deine Autorität in Frage stellen, Erzkanzler«, sagte er. »Ich meine nur: Wenn sich ein riesiges Ungeheuer ganz
plötzlich in ein Huhn verwandelt, so sol te man diesen erstaunlichen
Vorgang nicht zum Anlaß nehmen, das Huhn zu essen.«
Der Erzkanzler leckte sich die Finger. »Welche Reaktion hältst du für
angemessen?« fragte er.
»Nun, ich hätte das Geschöpf… untersucht«, erwiderte Ponder.
»Genau das haben wir«, meinte der Dekan. »Es war gewissermaßen
eine Autopsie.«
»Und eine sehr gründliche noch dazu«, sagte der Professor für
unbestimmte Studien zufrieden und rülpste. »Entschuldigung, Frau
Al esweiß. Möchtest du viel eicht noch ein wenig von der Br…« Er
bemerkte Ridcullys strengen Blick und verbesserte sich. »… vom
vorderen Teil des Huhns, Frau Allesweiß?«
»Wir haben herausgefunden, daß es keine Gefahr mehr für Zauberer
auf Besuch darstellt«, erklärte der Erzkanzler.
»Ich bin nur der Ansicht, daß sich eine richtige Untersuchung nicht nur
darauf beschränken sol te, nach einem Salbei-und-Zwiebeln-Busch
Ausschau zu halten«, sagte Ponder. »Ihr habt gesehen, wie schnel sich
das Geschöpf verändert hat, nicht wahr?«
»Und?« fragte der Dekan.
»So was kann nicht natürlich sein.«
» Du behauptest doch immer wieder, daß sich Dinge auf ganz natürliche Weise in andere Dinge verwandeln, Stibbons.«
»Aber nicht so schnell!«
»Hast du den Vorgang der Evolution jemals beobachtet?«
»Natürlich nicht. Niemand kann…«
»Na bitte«, sagte Ridcully in jenem Tonfall, der darauf hinwies, daß er
diesen Punkt für erledigt hielt. »Viel eicht haben wir eine ganz normale
Geschwindigkeit erlebt. Ich habe bereits erwähnt, daß es durchaus einen
Sinn ergibt. Warum sol te sich irgend etwas ganz langsam in einen Vogel
verwandeln? Eine Feder hier, einen Schnabel dort… Man sähe ziemlich
komische Geschöpfe, oder?« Die anderen Zauberer lachten. »Das
Ungeheuer dachte vermutlich: Oh, es sind zu viele; ich sol te mich besser
in etwas verwandeln, das ihnen gefällt.«
»Und uns schmeckt«, fügte der Dekan hinzu.
»Eine sehr vernünftige Überlebensstrategie«, kommentierte Ridcully.
»Zumindest bei Vegetariern.«
Ponder rol te mit den Augen. Mit seinen Gedanken schien immer al es
in bester Ordnung zu sein. Er hatte einige der alten Bücher gelesen und
wirklich lange darüber nachgedacht, woraufhin sich hinter seiner Stirn eine Theorie formte, die aus vielen glänzenden Einzelteilen bestand. Und
wenn er sie dann in Worte kleidete, erreichte sie sofort die Fakultät, und es dauerte nicht lange, bis einer der Zauberer eine wirklich dumme Frage stel te, auf die er derzeit leider keine Antwort wußte. Wie konnte man
angesichts solcher Denkweisen irgendwelche Fortschritte erzielen? Wenn
es irgendwo einen Gott gab, der »Es werde Licht« oder etwas in der Art
sagte, so würden diese Zauberer erwidern: »Warum denn? Für uns war die Dunkelheit immer gut genug.«
Alte Männer – darin bestand das Problem. Die alten Traditionen
erfül ten Ponder nicht unbedingt mit Begeisterung, denn inzwischen lag
sein zwanzigster Geburtstag schon einige Jahre zurück, und er bekleidete
einen einigermaßen wichtigen Posten, wodurch er für die Grünschnäbel
in der Universität gewissermaßen zur Zielscheibe wurde. Oder geworden
wäre, wenn die Bürschchen nicht jede Nacht damit verbracht hätten, an
Hex herumzubasteln.
Ponder war nicht daran interessiert, in der Fakultätshierarchie
aufzusteigen. Er wäre damit zufrieden gewesen, wenn die Zauberer
endlich einmal zuhörten, anstatt immer nur zu sagen: »Gute Arbeit,
Stibbons, aber das haben wir schon einmal versucht, und zwar ohne
Erfolg« oder »Vermutlich fehlen uns dafür die Mittel«. Am schlimmsten
war: »Heute gibt es einfach keine ordentlichen Hier-Nomen-einsetzen
mehr. Erinnert ihr euch an den alten ›Spitzname‹-Zauberer-der-vor-
fünfzig-Jahren-starb-und-von-dem-Ponder-bestimmt-nie-etwas-gehört-
hat? Er kannte sich mit Hier-Namen-einsetzen aus, jawohl!«
Ponder hatte den Eindruck, daß die Stiefel vieler Toten über ihn
hinweggingen.
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