Heiße Hüpfer
verrückt waren. Nicht einmal der Quästor verdiente die
Bezeichnung wahnsinnig.
Vor seinem inneren Auge sah er noch immer ganz deutlich, wie der
Gott strahlte, als sich die Küchenschabe bewegte.
Rincewind rüttelte am Gitter. »Bekomme ich keinen Prozeß?« rief er.
Nach einer Weile erschien ein Wärter im Flur. »Warum willst du einen
Prozeß?«
»Warum?« erwiderte Rincewind. »Nun, auch auf die Gefahr hin, daß du
mich für dumm hältst: Vielleicht könnte ich beweisen, daß ich das
verdammte Schaf überhaupt nicht stehlen wol te. Ich habe es gerettet. Ihr braucht nur den Dieb zu finden – er kann es euch bestätigen!«
Der Wärter lehnte sich an die Wand und hakte die Daumen hinter den
Gürtel.
»Tja, das ist eine komische Sache«, sagte er. »Weißt du, wir haben
überal gesucht und gefragt und Zettel verteilt und so, aber es ist nicht zu fassen: Der Bursche lehnt es ab, sich zu erkennen zu geben. Man könnte
an der menschlichen Natur verzweifeln.«
»Was passiert jetzt mit mir?«
Der Wärter kratzte sich an der Nase. »Du wirst am Hals aufgehängt,
bis du tot bist, Kumpel. Morgen früh.«
»Könnte man mich nicht am Hals aufhängen, bis es mir leid tut?«
»Nein, Kumpel. Bis du tot bist.«
»Meine Güte, es war doch nur ein Schaf!«
Der Wärter grinste. »Ah, viele Männer, die man zum Galgen geführt
hat, haben das gesagt. Nun, um ganz genau zu sein: Schon seit Jahren
hatten wir hier keinen Schafdieb mehr. Al e unsere großen Helden waren
Schafdiebe. Du wirst ein enormes Publikum bekommen.«
»Määh!«
»Viel eicht findet sich auch eine Herde ein«, fügte der Wärter hinzu.
»Da fällt mir ein: Warum leistet mir dieses Schaf Gesellschaft?« fragte
Ridcully.
»Es ist ein lebendes Beweismittel, Kumpel.«
Ridcully sah auf das Schaf hinab. »Oh. Na dann, keine Sorge.«
Der Wärter ging fort. Ridcul y nahm auf dem schmalen Bett Platz.
Es kam darauf an, die Dinge von der positiven Seite zu sehen. Dies
war Zivilisation. Auf dem Rücken eines Pferds festgebunden, hatte er nicht viel davon erkennen können, abgesehen von Furchen im Boden,
Hufabdrücken und Dingen, die übel rochen, was bei der Zivilisation oft
der Fal ist. Am Morgen sol te er gehängt werden. Zum erstenmal seit
seiner Ankunft in diesem Land befand er sich in einem Gebäude aus
Stein. Hier gab es sogar Wächter. Am Morgen sol te er gehängt werden.
Durchs hohe Fenster kamen die Geräusche von Karren und Menschen.
Am Morgen sol te er gehängt werden.
Er blickte sich in der Zelle um. Wer auch immer der Baumeister
gewesen sein mochte: Er hatte vergessen, Fal türen einzubauen.
Fal türen… Darüber sol te er besser nicht nachdenken.
Er hatte sich schon an schlimmeren Orten aufgehalten. An viel, viel
schlimmeren Orten. Und das machte al es noch schlimmer, denn die
Konfrontation mit scheußlichen magischen Dingen erschien ihm
plötzlich erstrebenswert, wenn er sie damit verglich, in einer steinernen
Kammer festzusitzen und darauf zu warten, zu einem Termin beim
Henker abgeholt zu werden. Eigentlich erstaunlich: Ganz normale Leute,
die ihm unter anderen Umständen sicher sympathisch gewesen wären,
wol ten ihn mit einem sehr engen Kragen auf einen sehr unsicheren
Boden stellen.
»Määh!«
»Sei still.«
»Määh?«
»Du hättest ein Bad oder so nehmen sol en. Hier riecht’s ziemlich
landwirtschaftlich.«
Rincewinds Augen gewöhnten sich ans Halbdunkel, so daß er die
Kritzeleien an den Wänden erkennen konnte, insbesondere jene
Ansammlungen von Strichen, mit denen andere Gefangene die Tage
gezählt hatten. Nun, zumindest diese Mühe blieb ihm erspart, denn
immerhin sol te er am nächsten Morgen gehängt werden… Nicht daran
denken, nicht daran denken.
Als er genauer hinsah… In den meisten Fäl en beschränkten sich die
Zählungen auf einen Strich.
Er streckte sich aus und schloß die Augen. Bestimmt wurde er gerettet
– das war immer der Fall. Allerdings kam die Rettung immer in
Situationen, die wesentlich mehr Gefahr in sich bargen als eine
gewöhnliche Gefängniszel e.
Nun, er saß nicht zum erstenmal in einer solchen Zel e. Es gab immer
gewisse Möglichkeiten. Wichtig war es vor allem, direkt zu sein.
Er stand auf und hämmerte ans Gitter, bis der Wärter zurückkehrte.
»Was ist los, Kumpel?«
»Ich wol te nur gewisse Dinge klären«, sagte Rincewind. »Um keine
Zeit zu vergeuden, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ja?«
»Planst du zufälligerweise, vor dieser
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