Heiße Nacht, Sueßes Gestaendnis
nennenswert ändern wird.“
„Ein erster positiver Schritt ist aber doch dieses Meeting, das er vorschlägt? Vielleicht muss ihm die Vaterrolle gar nicht aufgezwungen werden? Verdient er denn keine zweite Chance?“
„Aber ich will ihn doch gar nicht dabeihaben!“, wehrte sich Tess. Allerdings war sie selbst nicht mehr so überzeugt davon. Unabsichtlich hatte sie sich in ihr Lügengebilde verstrickt, was man nur damit entschuldigen konnte, dass ihre Hormone völlig verrücktspielten. Sie konnte nicht vergessen, wie er sie berührt hatte … sie wusste nicht mehr, welche Entscheidung die richtige war …
Vehement schlug Eva auf den Küchentisch. „Du solltest morgen zu diesem Meeting gehen und ihm die Schwangerschaft bestätigen. Denn eins ist klar, du könntest jede finanzielle Unterstützung gut gebrauchen.“
„Schon, aber …“ Tess brach ab und merkte, wie ihr Blutdruck langsam, aber stetig anstieg. Es gab bestimmt einen triftigen Grund für Nates rasches Handeln. „Ich werde es ihm nicht erst gestehen müssen. Wahrscheinlich weiß er es längst.“
„Tess, du bist ja ganz blass. Was ist denn los?“
„Deshalb hat er auch einen Anwalt eingeschaltet. Er will mich zu einer Abtreibung überreden.“
Eva keuchte erschrocken. „Das ist doch totaler Blödsinn. Denk so etwas nicht einmal!“
Ihre Bemerkung änderte nichts an Tess’ Verdacht. War man weniger gutherzig und optimistisch als Eva, konnte es kaum eine andere Erklärung geben. Und Tess musste unbedingt realistisch bleiben, wenn sie über die Runden kommen wollte.
Schon früh hatte sie Überlebensstrategien entwickelt. Vor allem, nachdem ihr Vater sie dazu gezwungen hatte, bei der Schwester ihrer Mutter einzuziehen. Obwohl sie gebettelt und gefleht hatte, wieder nach Hause zu dürfen, musste sie dort bleiben, bis sie gelernt hatte, sich angemessen zu benehmen.
Monate voller Tränen und Tobsuchtsanfälle vergingen, bis sie endlich ihr Leben änderte. Sie hatte sich an einer anderen Schule eingeschrieben und den ultimativen Neuanfang gewagt. Der Verlust ihrer Mutter wurde allmählich zu einer verblassten Narbe anstelle einer schmerzhaften, eiternden Wunde. Nur die Beziehung zu ihrem Vater blieb belastet und distanziert bis zu seinem Tod. Tess war nie mehr nach Hause zurückgekehrt und hatte ihm auch nie verzeihen können, dass er sie hatte fallen lassen.
Welch eine Ironie des Schicksals, dass Tess Nate mit ihrem Vater verglichen hatte, obwohl er höchst wahrscheinlich wesentlich schlimmer war als der alte Mann. Wenn Tess an den nächsten Tag und den Termin in der Anwaltskanzlei dachte, wurde ihr schlecht vor Angst.
4. KAPITEL
„Wie Sie sehen können, bietet Ihnen diese Vereinbarung …“ Der Anwalt blätterte in dem mehrseitigen Vertrag, von dem er Tess bei ihrer Ankunft eine Kopie ausgehändigt hatte. „… eine mehr als großzügige Unterhaltsvergütung, die noch einmal detailliert auf Seite drei entschlüsselt wird. Das sollte Ihren finanziellen Bedarf in Zukunft decken.“
Tess’ Finger verkrampften, als sie das Dokument umklammerte.
Walter Jensen nahm seine Brille ab und fixierte die junge Frau ihm gegenüber mit seinen stahlgrauen Augen. Sie hielt dem Blick stand und ließ die Papiere auf ihrem Schoß ruhen. Die Atmosphäre im Raum war zum Zerreißen gespannt, und in der Ecke saß Nate Graystone auf einem Besucherstuhl und beobachtete stumm die gesamte Szenerie.
Jensens buschige Brauen zuckten nach oben. „Möchten Sie, dass ich Ihnen die Einzelheiten dieser angebotenen Vergütung erläutere?“
„Nein, danke“, erwiderte Tess mit fester Stimme, obwohl ihre Hände wieder stärker zitterten. „Das wird nicht nötig sein.“
Sie hatte nicht vor, auch nur in Betracht zu ziehen, sich von Nate Graystone kaufen zu lassen. Für was wollte er sie eigentlich genau entschädigen? Und wieso hatte er nicht den Anstand, für sich selbst zu sprechen?
Schwungvoll hob sie das schwere Dokument hoch und ließ es klatschend auf den polierten Tisch fallen. „Ich brauche kein Geld von Graystone. Für meinen Unterhalt komme ich selbst auf.“
Nachdem sie dies verkündet hatte, herrschte eisige Stille im Büro. Es roch leicht nach Zitrone, Möbelpolitur und alten Büchern. Tess merkte, dass alle Anwesenden sie entgeistert anstarrten. Die Sekretärin hatte von ihrem Tablet-Computer aufgesehen, und ein junger Referendar im eng geschnittenen Nadelstreifenanzug, den Jensen als Grant Irgendwer vorgestellt hatte, rieb sich nervös die
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