Heiße Nächte: Erotischer Roman (German Edition)
Annäherung scheint von vornherein schwierig. Sie bedauern, dass Sie Zeit hatten, diesen nackten Körper zu betrachten, dessen Bild Ihnen nicht mehr aus dem Kopf geht. Die Lösung liegt in der Nacht, denken Sie. Sie müssen einen anderen Ort, eine andere Zeit schaffen, die Sinne ausschalten. Sie löschen alle Lichter, ohne dass sie darauf reagiert. Ein Zeichen, dass sie sich Ihnen hingibt, Ihnen vertraut, dass Sie nicht mehr zurückkönnen.
Sie verlangt von Ihnen, das zu tun, was ein Mann tut. Sie will, dass Sie »der Erste« sind. Ein seltsamer Ausdruck, den in der männlichen Form jeder sofort versteht. »Erster Schrei, erstes Mal, letzte Ruhestätte.« Klammer auf und schon bald wieder zu. Sie bittet Sie, ihr zu diesem überwältigenden Gefühl zu verhelfen, das einen dazu bringt, für jemand anderen eine Welt aufzugeben, seinen Leib für einen anderen Leib, eine Kindheit für das Chaos. Sie bittet Sie, sich zu ihr zu legen und in sie hineinzugleiten. In diesen Körper, der keinen Zugang zu diesem archaischen Geheimnis findet, zu jenem jahrhundertealten Monolog, der »in ihm« eingeschlossen ist.
Sie zu beherrschen, ohne sie zu erobern. Sie zu erforschen, ohne die Sorge, selbst erforscht zu werden. Langsam finden Sie sich damit ab. In der Dunkelheit, die Ihre Gesten umfängt, kommen Sie langsam zur Ruhe. Die Nacht allein nimmt diese Frau. Nur sie weckt die Fleischeslust der Madonna. Die Nacht nimmt ihren Körper, ihre Wärme, ihre Nässe. Die Nacht besitzt einen Körper und tritt in einen anderen unbeweglichen Körper ein. Die beiden sind vereint. Sie sind gar nicht da. Sie tun nichts.
Zimmer Nummer 227
Donnerstag, 11. Juni, 16 Uhr 05
Liebt Alice Édith noch? Sie kennen sich nun seit achtunddreißig Monaten, von denen sie fünfunddreißig zusammenleben. Alice hat sich an die Limousinen gewöhnt und an das blaue Wasser der Swimmingpools. An die Frühjahrsaufenthalte im La Mamounia und die Winter zwischen Courchevel und Paris. Abendessen bei bekannten Galeristen reihen sich an Wochenenden in Gesellschaft eines verkannten Theaterregisseurs der Avantgarde.
Zusammen haben sie einige Fotografien von Cindy Sherman und zwei Bilder von David Hockney ausgesucht. Édith besitzt einen Bacon, der im Wohnzimmer zwischen zwei Sesseln von Charlotte Perriand hängt. Alice besitzt nichts. Am Nachmittag trifft sie Clara. Als wäre nichts gewesen, kehrt sie in die Londoner Wohnung zurück. Édith weiß Bescheid, doch das weiß Alice nicht.
Édith besitzt einen Zweitschlüssel für das Zimmer 227 in einem großen Pariser Hotel, das sie zu einem feststehenden Termin für drei Nächte im Monat gemietet hat. Es war ein Geschenk von Édith für Alice. Als Erstere von ihren Geschäften aufgehalten wird, trifft Letztere sich heimlich mit Clara.
Sie sind ihnen dort zufällig begegnet und haben ein oder zwei Stunden mit ihnen verbracht. Wohl eher zwei. Anregende Stunden vergehen schnell.
D. und ich sitzen aneinandergeschmiegt auf dem Sofa. Das ist eine Art Ritual, das sich in letzter Zeit zwischen uns entwickelt hat. Wir nähern uns zärtlich einander an und bereiten uns auf den Bericht vor. Er fragt, ob ich dieses Hotel gut kenne. Ich habe dort vor zwei Jahren gewohnt. Eine Nacht vielleicht. Es überrascht mich, dass er mich unterbricht. Ich habe Angst, den Faden zu verlieren.
Sie kommen als Letzte hinzu. Sie versuchen, die Situation zu erfassen. Die Tür ist lediglich angelehnt. Sie müssen sie nur aufstoßen. Sie sehen sofort, dass das Zimmer leer, das Bett unberührt ist. Aus dem Badezimmer dringen Wassergeräusche. Als Sie darauf zugehen, erkennen Sie Alice, die mit dem Rücken zu Ihnen steht. Sie neigt sich zu der anderen, die vermutlich rittlings auf dem sehr weißen Porzellan sitzt. Es sind nur ihre Knie und Knöchel sowie ihre Füße zu sehen. Sie stützt sich mit den großen Zehen ab. Jetzt stehen Sie vor den beiden. Keine hebt den Blick zu Ihnen. Als seien Sie unsichtbar. Sie bewundern Claras Schönheit. Sie ist lediglich mit einer Korsage bekleidet, die den Bauchnabel und alles Weitere freilässt. Von hinten ergießen sich Alices Haare über den Hals der Geliebten bis hinunter auf ihr Dekolleté. Das Geschlecht verschwindet unter weißer Seife. Wie feiner Schnee, denken Sie. Jetzt sieht Alice Sie an, ohne dabei jedoch ihre geschickte Hand stillzuhalten. Als habe sie Ihre Ankunft erwartet. Ihre Finger gleiten an den empfindlichen Falten entlang. Ein Stöhnen ertönt. Mit zwei Schritten sind Sie bei der sitzenden Frau und
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