Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
widerhallte. Er trug einen Stapel schwerer, verstaubter Bücher, Gesetzestexte, von deren Gewicht seine Arme bereits schmerzten. Schweiß rann ihm von den Schläfen und über den Rücken, als er ein leidenschaftliches Plädoyer für den Freispruch seines Mandanten hielt. Es ging um Leben und Tod, und es war seiner Stimme anzuhören – sie bebte. Doch die Jury blieb unbeeindruckt, ja desinteressiert. Hektisch versuchte er die Bücher festzuhalten, als eins nach dem anderen durch seine Arme rutschte. Er vernahm den Urteilsspruch, der von den Wänden zurückhallte.
Schuldig. Schuldig. Schuldig.
Er hatte verloren. Geschlagen und mit leeren Händen drehte er sich zu seinem Mandanten um. Der Mann stand auf und hob den Kopf, so sahen sie einander an, Auge in Auge. Zwei identisch aussehende Männer. War er es? War es Jerry? Verzweifelt ging er auf das Richterpult zu. Liz saß auf dem Podium, in einer schwarzen Robe, hoch über ihm und unnahbar. Aber ihre Augen blickten traurig, als sie langsam den Kopf schüttelte. „Ich kann Ihnen nicht helfen.“
Dann löste sie sich auf. Er fasste nach ihrer Hand, wollte sie festhalten, doch seine Finger griffen ins Leere. Nur ihre dunklen, traurigen Augen konnte er noch sehen. Und dann war sie ganz verschwunden. Auch sein Bruder war weg, und er blieb allein mit der Jury zurück. Zwölf selbstgefällige Gesichter, die überlegen auf ihn herablächelten …
Jonas lag reglos da, sein Atem ging heftig. Er starrte auf die Traube bunt-fröhlich angezogener Puppen auf dem Regal neben dem Bett. Eine Flamencotänzerin hielt ihre Kastagnetten mit erhobenen Armen. Eine Prinzessin bewunderte versunken ihre gläsernen Schuhe. Eine Barbie in einem schicken Kleid winkte strahlend lächelnd aus einem rosaroten Cabrio.
Jonas stieß die Luft aus den Lungen und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Es war, als würde man versuchen, mitten auf einer lauten Party zu schlafen. Kein Wunder, dass er wirre Träume hatte. An der anderen Wand stand ein weiteres Regal, vollgestopft mit Stofftieren, angefangen beim verlässlichen guten alten Teddybären bis hin zu einem blauen Ding, das aussah wie ein Staubwedel mit Knopfaugen.
Kaffee, dachte er nur und schloss die Lider wieder. Er brauchte jetzt unbedingt einen Kaffee. Während er sich anzog, versuchte er die Dutzende von lächelnden und grinsenden Gesichtern um sich herum zu ignorieren. Er war nicht ganz sicher, wie und womit er anfangen sollte. Die Münze an seiner Kette baumelte an seinem Hals hin und her und schlug gegen seine nackte Brust. Er zog ein T-Shirt über. Draußen vor dem Fenster hatten die Vögel ihr Morgenkonzert angestimmt. Zu Hause in Philadelphia würde er jetzt das stetig anschwellende Rauschen des morgendlichen Berufsverkehrs hören, während die Stadt zu neuem Leben erwachte. Direkt neben dem Fenster konnte er einen Busch sehen, dessen violette Blüten sich um Platz zu streiten schienen. Hier gab es keine stämmigen Ulmen, keine akkurat geschnittenen Hecken oder Gartenzäune. Kein Gesetzesbuch konnte ihm bei seinem Vorhaben helfen. Er konnte sich an nichts Vertrautem orientieren, es gab keinen Präzedenzfall, auf den er sich stützen konnte. Jeder Schritt, den er unternahm, würde praktisch blind erfolgen. Dennoch … unternehmen musste er diese Schritte.
Er roch den Kaffee in der Sekunde, als er die Zimmertür öffnete. Liz fand er in der Küche. Sie trug ein T-Shirt und etwas, das auf den ersten Blick wie ein knappes Bikinihöschen aussah. Jonas gehörte nicht unbedingt zu den Männern, die morgens voll einsatzbereit aufwachten, aber für ein Paar endlos langer und gebräunter Beine hatte er durchaus schon Augen. Liz strich gerade Butter auf eine Scheibe Toast.
„Kaffee ist schon fertig“, sagte sie, ohne sich umzudrehen. „Im Kühlschrank sind noch Eier. Müsli oder Cornflakes habe ich nicht da, erst, wenn Faith kommt.“
„Eier reichen völlig“, murmelte er und steuerte zielsicher auf die Kaffeemaschine zu.
„Nehmen Sie sich, was Sie wollen … solange Sie es wieder ersetzen.“ Sie stellte das Radio an, um den Wetterbericht zu hören. „In einer halben Stunde fahre ich los. Wenn ich Sie also zum Hotel mitnehmen soll, sollten Sie dann fertig sein.“
Der erste Schluck Kaffee war eine wahre Wohltat. Jonas trank ihn genüsslich, und allmählich kehrten seine Lebensgeister zurück. „Mein Wagen steht in San Miguel.“
Liz setzte sich an den Tisch und ging die Tagesplanung durch. „Ich kann Sie beim El Presidente
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