Heißer als der Wuestenwind
gelernt, sich auf niemanden zu verlassen.
„Wolltest du dieses haben?“ Er deutete mit dem Kopf auf das Buch in ihrer Hand.
Bedauernd seufzte sie und stellte das Buch widerstrebend zurück. „Nein.“
„Such dir ein Buch aus. Von mir aus Hunderte“, schlug Nadir vor und zeigte auf die Regale.
„Das ist sehr großzügig von dir, aber es muss nicht sein.“
Scharf atmete er ein. „Warum lehnst du jedes meiner Geschenke ab?“
Sie musste ihm die Wahrheit sagen, ganz egal, wie peinlich es für sie war. „Ich kann diese Bücher nicht lesen“, flüsterte sie, und ihr Gesicht lief rot an.
Nadir erstarrte. „Du kannst nicht lesen?“
Ihr Kopf ging hoch, und sie streckte das Kinn vor. „Natürlich. Ich lese sogar liebend gerne. Aber ich kann nur englische Bücher lesen.“
„Hat dein Onkel dich nicht zur Schule geschickt?“
„Nein. Aber ich möchte nicht darüber reden.“
„Ich bin sicher, er hatte einen guten Grund dafür“, sagte Nadir.
„Ja natürlich.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Onkel Tareef hatte es gar nicht gefallen, dass sie mit ihrer Intelligenz die seine herausgefordert hatte.
Fragend sah Nadir sie an. „Wie konntest du dann den Ehevertrag lesen?“
Zoe zuckte zusammen. Das Ganze wurde immer vertrackter. Also sollte sie bei der Wahrheit bleiben und auf das Beste hoffen. „Gar nicht.“
„Hat dir irgendjemand erklärt, was der Vertrag beinhaltet?“
„Nein.“ Sie starrte auf ihre Füße, unsicher, was nun geschehen würde. War die Ehe damit ungültig? Würde er sie zu ihren Verwandten zurückschicken?
„Das geht nicht. Du bist eine Sheika . Also solltest du unsere Sprache lesen und schreiben können. Ich werde umgehend Abhilfe schaffen.“
Sie sah, dass er sein Handy herauszog. „Was hast du vor?“
„Ich werde meinen Assistenten bitten, einen Privatlehrer für dich zu engagieren.“ Er tippte eine Nachricht ein. „An unserem ersten Hochzeitstag wirst du Arabisch lesen und schreiben können.“
Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte. Zu oft waren Versprechen gebrochen worden, so wie von Musad. Oder ihrem Onkel, der versprochen hatte, sie dürfe zur Schule gehen, wenn sie brav sei. Das Problem war nur, dass sie es ihm nie hatte recht machen können und irgendwann aufgehört hatte, es noch weiter zu versuchen.
„Das ist sehr freundlich von dir“, sagte Zoe höflich. Sie sollte dankbarer, begeisterter klingen, schaffte es jedoch nicht.
„Das hat nichts mit Freundlichkeit zu tun. Es ist wichtig, dass du über diese Fähigkeiten verfügst.“
Nicht wenn sie ihre Pläne umsetzen könnte. Mit ein bisschen Glück wäre sie nicht mehr im Lande, wenn der Lehrer auftauchte. „Danke.“
„Gern geschehen.“ Nadir tippte noch eine Nachricht in sein Handy. „Zeit für einen Tee.“
Sie folgte Nadir, warf aber noch einen letzten Blick auf den Buchladen.
Heute in einem Jahr würde sie umgeben sein von Büchern, die sie lesen konnte. Nein, heute in einem Monat, entschied sie. Denn sobald sie zu Hause war, würde sie in eine Bibliothek gehen und so viele Bücher verschlingen, wie sie wollte.
Schweigend betrat sie mit Nadir ein elegantes Restaurant. Im Gegensatz zu den anderen Gästen wirkte ihr Aufzug billig und abgetragen. Man wies ihnen den besten Tisch in der Mitte des Raums zu, obwohl Zoe am liebsten davongelaufen wäre.
Sie wusste, dass es ihr an der Kultiviertheit und Bildung fehlte, die Nadir von einer Frau erwartete, aber er beschwerte sich nicht. Das musste er auch nicht, denn die abwertenden Blicke der Gäste waren für sie Strafe genug.
Deshalb war sie dankbar, als er sie mit der Frage nach ihren Lieblingsbüchern ablenkte. Wollte er nur Konversation machen oder herausfinden, was sie bewegte? Sie ließ sich auf das Gespräch ein und fand es aufregend, aber auch beängstigend, im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit zu stehen.
Im Stillen erfreute sie sich an dem Hauch von Freiheit, der sie umwehte, seit sie das Dorf verlassen hatten. Alles schien heller, leichter, und sie konnte wieder freier atmen.
Und sie war dankbar, dass ihr Ehemann ihre wachsende Begeisterung nicht zerschlug. Ihrem Onkel gegenüber musste sie ihre Interessen immer verheimlichen. Nadir hingegen unterstützte ihre Neugier, sprach über das, was ihr gefiel und ermunterte sie, Fragen zu stellen. Mit Nadir zusammen schien ihre Welt plötzlich größer.
Als sie schließlich das Restaurant verließen, bemerkte Zoe, dass Nadir auf sein Handy sah und die Stirn runzelte, als er
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