Heißer als der Wuestenwind
die bevorstehende Schlacht. Das hochgeschlossene gelbe Nachthemd, das ihre Figur verhüllte, war verschwunden. Sie hatte gehört, wie Amina, eines der Dienstmädchen, den anderen leise verriet, dass sie es verbrannt hatte. Stattdessen trug sie nun ein langes, saphirblaues Negligé, das seitlich geschlitzt war und den Blick auf ihre nackten Beine freigab. Aber wer würde schon auf ihre Beine schauen, wenn sich unter der dünnen Seide deutlich ihre Brüste und der sanfte Schwung ihrer Hüften abzeichneten?
„Der Scheich hat großen Gefallen an Ihnen“, sagte Amina, während sie Zoes langes, dichtes braunes Haar bürstete.
„Mmh.“ Zoe wusste nichts darauf zu erwidern. Sie war nicht sicher, ob sie ihm gefiel.
„Sie haben die Hochzeitsnacht überlebt“, meinte Halima, das andere Mädchen. „Kein einziger Tropfen Blut.“
Zoes Herz setzte einen Schlag aus. Was sollte das heißen? Hatten sie auf dem Laken nach einem Blutfleck gesucht, der ihre Unschuld beweisen würde? Diese Möglichkeit hatte sie nicht in Erwägung gezogen.
„Die letzte Hochzeitsnacht des Scheichs …“ Halima schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Das Bett war so voller Blut, dass die Braut ins Krankenhaus von Omaira gebracht werden musste.“
Entsetzt starrte Zoe die ältere Frau an. Sie sprachen über eine andere Hochzeitsnacht, eine andere Braut.
Nadirs erste Frau musste nach der Hochzeitsnacht also ins Krankenhaus? Fatimah hatte nichts davon erwähnt, obwohl ihre Cousine doch sonst nichts ausließ. „Wovon redet ihr?“
Amina beugte sich vor, und ihre Blicke trafen sich im Spiegel. „Haben Sie sich nie gefragt, warum man ihn die Bestie nennt?“, fragte sie in leisem, verschwörerischem Ton.
Die beiden Frauen nahmen automatisch das Schlimmste von Nadir an. Oder waren sie nur auf skandalöse Einzelheiten ihrer Hochzeitsnacht aus? Zoe kniff die Augen zusammen. Den Gefallen würde sie ihnen nicht tun.
„Glaubt kein Wort davon“, warnte Zoe die Mädchen. „Der Scheich ist ein Mann von Ehre. Ein Gentleman.“
Spöttisch hob Halima die Hände. „Das sollte keine Beleidigung sein.“
„Wir wollten Sie nur warnen“, fügte Amina hinzu und fuhr fort, Zoes Haare zu bürsten.
Ängstigen war wohl eher das richtige Wort. Zoe wusste, dass es ihr egal sein sollte, aber das war es nicht. Vielleicht weil sie ahnte, wie sehr Klatsch einem Menschen schaden konnte.
„Mein Mann würde einer Frau nie etwas antun“, sagte sie ruhig und entschieden.
„Sie waren in dieser Nacht ja nicht dabei“, erklärte Amina. „Ich weiß, wovon ich rede.“
Zoe wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. Denn im Moment benahm Nadir sich musterhaft. Er schien entschlossen, eine Verbindung zu seiner Frau zu schaffen.
In ihrem Stamm hatte Zoe sich als Heilerin um die Frauen gekümmert, die Opfer häuslicher Gewalt geworden waren. Sie hatte sich deren Geschichten angehört, war mit ihrer Sorge um sie bei den Stammesführern aber auf taube Ohren gestoßen. Sie hatte auch mitbekommen, was im Haus ihres Onkels vor sich ging und zu ihrer eigenen Sicherheit gelernt, auf seine Launen zu achten.
Auch wenn Zoe Männern im Allgemeinen nicht traute, glaubte sie nicht, dass Nadir gewalttätig war. Das schloss sie aus seinem Verhalten in der vergangenen Nacht. Er hatte sie nicht in sein Bett gezwungen, sondern sich nach ihren Wünschen gerichtet. Eine Bestie hingegen hätte sie einfach bedenkenlos genommen.
„Unterschätzen Sie den Scheich nicht“, flüsterte Amina in unheilverkündendem Ton. „Sie hätten hören sollen, was Yusras Mutter gesagt hat. Da hätten sich Ihnen die Haare aufgestellt.“
Zoe verdrehte die Augen. „Das ist also deine Quelle? Yusras Mutter? Jeder weiß doch, dass diese Frau eine boshafte Klatschtante ist. Ich würde nie ein Wort von dem glauben, was sie sagt.“
„Aber wie erklären Sie sich dann …“
„Das muss ich nicht“, fiel Zoe Halima ins Wort. „Ich dulde keinen Klatsch über meinen Ehemann, besonders nicht in meiner Gegenwart.“
„Verteidigst du gerade meine Ehre, Zoe?“ Nadir sprach Englisch.
Abrupt drehte Zoe sich um, und ihr Puls schlug schnell, als sie Nadir an der Tür entdeckte. Seine dunklen Augen funkelten, und der Raum schien plötzlich geladen vor Energie. Auch wenn er lässig am Türrahmen lehnte, wusste Zoe, dass er sich nicht so fühlte. Er war es müde zu warten und wollte endlich Anspruch auf seine Braut erheben.
Nadir hatte nicht erwartet, dass Zoe ihn verteidigen würde. Es war mehr,
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