Heißer als Feuer: Roman (German Edition)
völlig schnuppe, was er von mir denkt. Nach diesem Wochenende sehen wir uns sowieso nie wieder.«
Mit dieser Einstellung lief sie die Stufen hinunter. John und Ian saßen in bequemen Schaukelstühlen und tranken kühlen Weißwein aus langstieligen Kristallgläsern. »Shay«, rief John und sprang auf. »Komm, setz dich, und trink ein Glas Wein mit uns.«
Es kümmerte sie nicht die Bohne, dass Ian die Stirn in Falten zog. Stattdessen strahlte sie seinen Vater an. »Danke, das ist zwar nett gemeint, John, aber ich glaube, Mom kann ein bisschen Hilfe in der Küche brauchen.« Mit einem koketten Hüftschwung schob sie sich durch die Schwingtür.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte sie aufgeräumt. Ihre Mutter stand in gebückter Haltung vor dem Herd und zog gerade eine große Kasserolle aus dem Backofen.
Die Wangen von der ausdampfenden Hitze apart gerötet, schnellte die Angesprochene herum und seufzte in gespielter Verzweiflung. »Du kannst wieder nach oben gehen und einen BH anziehen. Das kannst du für mich tun.« Mit rüschenumsäumter Schürze, die Hände in die Hüften gestemmt, die Frisur leicht ramponiert, ließ Celia Douglas’ Autorität schwer zu wünschen übrig.
»Wieso?«, fragte Shay unbeeindruckt, während sie das Vorspeisentablett inspizierte und sich eine Olive stibitzte.
»Weil … weil ich deine … Himbeeren sehen kann«, stotterte ihre Mom verlegen.
Shay schüttelte sich vor Lachen und hätte fast den Olivenkern verschluckt. »Himbeeren?« Als sie wieder Luft bekam, tanzten in ihren Augen vorwitzige goldene Sprenkel. »Diese Dinger heißen Nippel, Mom. Nippel. Die hat nun mal jede Frau. Sie gehören zur weiblichen Anatomie, seit der liebe Gott Eva erschuf. Deswegen muss man sich bestimmt nicht schämen.«
»Man muss sie aber auch nicht schamlos zur Schau stellen«, argumentierte Celia mit einem weiteren matten Seufzen. Ihr war klar, dass sie der pragmatischen Logik ihrer Tochter wenig entgegensetzen konnte. »Was sollen John und Ian von dir denken?«
Shays Grinsen verlor sich, zwischen ihre schön geschwungenen Brauen schob sich eine steile Falte. Sie lief zum Fenster und betrachtete die in mildes Abendlicht getauchte Landschaft. Damit hatte Celia automatisch einen wunden Punkt bei ihr getroffen. Shay empfand sich plötzlich in einem persönlichen Konflikt. Sollte sie ihren eigenen Kopf durchsetzen oder besser doch auf ihre Mutter hören? Diesbezüglich hatte sie zeitlebens zu kämpfen gehabt. Natürlich sollte Celia stolz auf sie sein, andererseits war sie erwachsen und konnte auf mütterliche Ratschläge gut verzichten. »Schämst du dich etwa meinetwegen, Mom?«, fragte sie leise.
»Aber Shay.« Ihre Mutter fiel aus allen Wolken. »Natürlich nicht, Schätzchen«, lenkte sie schuldbewusst ein. Sie lief zu ihrer Tochter und schlang begütigend einen Arm um ihre Taille. »Es ist nur, na ja, ich möchte, dass wir ein harmonisches Wochenende verleben ohne Stress. Du bist vorhin schon mit Ian aneinandergerasselt. Ach, übrigens, was ist denn da zwischen euch vorgefallen?«
»Nicht viel. War bloß eine blöde Lappalie. Wir mögen uns eben nicht sonderlich leiden.« Shay sah keine Veranlassung, die Geschichte vom Nachmittag erneut aufzurollen.
»Und wie ich dich kenne, hast du deinem Herzen gehörig Luft gemacht.« Seufzend ließ sie ihre Tochter los und kümmerte sich wieder um das Abendessen. »Wann kapierst du endlich, dass du ein bisschen diplomatischer werden musst, Shay? Ich hab mir den Mund fusselig geredet und deinen Vater gewarnt, dass seine antiautoritäre Erziehung in einer Katastrophe münden würde. Nach meinem Dafürhalten war er viel zu liberal und tolerant in seinen Ansichten. Das hat zwangsläufig auf dich abgefärbt.«
»Gott sei Dank, kann ich da nur sagen«, entfuhr es Shay hitzig. Als sie die resignierte Miene ihrer Mutter bemerkte, meinte sie einlenkend: »Das Essen sieht köstlich aus, Mom. Mmmh lecker, Hühnchen in Paprikasauce, mein Lieblingsgericht!« Sie nahm das Tablett, um es ins Esszimmer zu tragen, das in stimmungsvolles Kerzenlicht getaucht war. An der Tür raunte sie Celia zu: »Ich verspreche dir, ich reiß mich zusammen, Mom. Damit John und Ian keinen schlechten Eindruck von mir bekommen.«
Celias Dinner war ein voller Erfolg. Sie hatte geschmackvoll eingedeckt, den Tisch mit Kerzen und einem bunten Frühlingsstrauß in einer bauchigen Kristallvase dekoriert. Statt teurem Porzellan und blank poliertem Silber gab es schlichtes, hübsches
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