Heißer Schlaf
Farm zu zeichnen, wie sie war und wie sie in einem, fünf oder zehn Jahren aussehen müßte. Sinnlos. Er war müde – er war am Nachmittag nur für zwei Stunden eingenickt.
Aber er konnte nicht schlafen.
Den ganzen Tag über hatte Jason sich in Himmelsstadt umgesehen, hatte Leute besucht, mit ihnen geredet, sie gefragt, was sie von diesem hielten und über jenes däch ten. Wie immer hatte der Aufseher nicht mitkommen dürfen. Statt dessen hatte Noyock jetzt die Aufgabe, sich mit dieser Kreatur Stipock zu beschäftigen, und diese Aufgabe wurde ihm immer unangenehmer. Er wußte nicht, wie er das Thema Jason gegenüber anschneiden sollte, ganz sicher aber wünschte er sich, Jason möge den Mann mit sich in den Sternenturm nehmen, wenn er ging –
Diese Fragen! »Warum tust du dies? Warum tust du jenes?« Als Stipock Aven fragte: »Warum läßt du deine Frau die Küchenarbeit allein machen und setzt dich einfach an den Tisch und wartest auf dein Essen?« hatte Noyock nicht einmal versucht, dessen Ausbruch zu verhindern. Aven übertraf sich selbst an Wut. »Weil ich, verdammt nochmal, eine Stunde vor Sonnenaufgang aus dem Bett steige und bis eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit das Vieh versorge, die Felder hacke und ernte und pflüge und säe und jede verdammte Arbeit tue, die diese Familie am Leben hält, und gleichzeitig noch jeden verdammten Bissen produziere, den du dir heute in dein verdammtes Maul steckst, Stipock! Und wenn ich erwar te, daß meine Frau das verdammte Essen kocht und das Geschirr abwäscht, dann hat das seine Ordnung, denn es gäbe kein Essen und keine Teller und keinen Tisch und kein Haus, wenn ich nicht dafür schuften würde!«
Stipock war sehr, sehr rot geworden, und Noyock hatte ganz einfach laut lachen müssen. Jetzt, während er Pläne zeichnete, überlegte er sich, welche Absichten Jason mit Stipock hatte. Bitte, Noyock wünschte es sich sehnlichst, bitte, erkläre doch wenigstens, wozu der Bursche dienen soll.
Jemand klopfte an die Tür, und Noyock stand erschrocken auf. Jeder wußte, daß man Noyock nach Dunkelwerden in diesem Zimmer nicht stören durfte. Er öffnete die Tür – und es war der hundertelfte der Eisleute. »Was willst du?« fragte Noyock.
»Ich will nur einige Fragen stellen«, antwortete Stipock. Und weil Jason schließlich gesagt hatte, man müsse ihn so vorsichtig wie ein kleines Kind behandeln, bat Noyock ihn, einzutreten und sich zu setzen. Allerdings sagte er nicht: »Sei willkommen.« Alles hatte seine Grenzen.
»Fragen?« wollte Noyock wissen.
»Ich habe mich mit Hoom unterhalten«, sagte Stipock. »Das ist doch dein Enkel, nicht wahr?«
Noyock nickte.
»Er erzählt mir, daß du als Aufseher jedem sagst, was er tun soll.«
Noyock zuckte die Achseln. »Wenn es nötig ist, sage ich etwas. Meistens tun die Leute, was sie wollen.«
»Aber es gibt Gesetze?«
Noyock nickte, aber er wußte nicht, worauf Stipock hinauswollte. »Natürlich. Jason hat uns diese Gesetze gegeben.«
»Und diese Gesetze geben einem Mann das Recht, seinen Sohn zu schlagen?«
Ah, wieder Kritik. Noyock fühlte sich plötzlich sehr müde und wollte ins Bett gehen. »Innerhalb vernünftiger Grenzen«, sagte Noyock, »hat ein Mann Gewalt über seine Kinder.«
Stipock lachte und schüttelte den Kopf. »Ich kann kaum glauben, wie ungehobelt das alles ist.«
Noyock stand auf und ging zur Tür. »Gute Nacht, Stipock. Wenn du willst, reden wir morgen weiter.«
»Nein, es tut mir leid«, sagte Stipock schnell. »Ich meinte nicht – ich meinte nur, daß alles so primitiv ist.« Das Wort sagte Noyock nichts. Stipock fuhr fort: »Ich möchte so gerne wissen, ob ihr über irgend etwas abstimmt. Ob ihr über die Gesetze abgestimmt habt.«
»Wir stimmen ab«, sagte Noyock, »wenn es kein Gesetz gibt. Wenn Jason uns ein Gesetz gegeben hat, warum sollten wir dann abstimmen?«
»Warum nicht?«
»Wenn Jason etwas sagt, wäre nur ein Narr nicht damit einverstanden.«
»Das könnte genausogut das Reich sein, wie es leibt und lebt«, sagte Stipock mehr zu sich selbst als zu Noy ock. »Ist noch nie jemand auf die Idee gekommen, daß die Gesetze vom Volk ausgehen sollten und nicht von einem Mann, der alle paar Jahre aus einem Raumschiff kommt?«
»Das Volk ist oft sehr dumm.«
»Jason auch. Wie jeder andere.«
Noyock fixierte ihn eiskalt. »Gute Nacht, Stipock«, sagte Noyock.
Stipock zuckte die Achseln. »Vielen Dank, daß du meine Fragen beantwortet hast«, sagte er und ging. Noyock
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