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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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sagte er so nachdrücklich er konnte.
    »Hör doch auf, Tully. Cotton hat nicht den leisesten
    Schimmer. Er ist nichts weiter als ein armseliger alter
    Suffkopf.«
    »Lügt. Cotton is‹ Boß.« Er knirschte mit den Zähnen.
    »Es täte mir leid, wenn ich dir die Hand drücken
    müßte«, warnte ich.
    »Nein. Es ist wahr!« Er schielte mich angstvoll an.
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    Ich dachte an Joe und hatte genug davon, meine Zeit
    in diesem Loch zu verbringen. Ich beugte mich über ihn
    und nahm seinen kleinen Finger. Er schrie vor Schmerz.
    »Ich schwöre!«
    »Okay, vergiß es.« Ich ließ den Finger los.
    »Trinken«, bettelte er.
    »Nichts dagegen«, sagte ich und leerte die Flasche
    vollends. »Ich hole dir jetzt einen Krankenwagen.«
    »Trinken«, wiederholte er.
    »Ach, du wolltest auch noch was? Tut mir leid. Alles
    alle.« Sonderlich leid tat es mir nicht.
    Er schien erleichtert, mich von hinten zu sehen. Ich
    ging treppab, unterrichtete den Nachtportier von den
    Geschehnissen und wartete, bis er das St. Josephs-
    Krankenhaus angerufen hatte. Danach verließ ich die
    Hotelhalle, um mein Auto zu holen.
    Der Wächter hockte immer noch da. Ich peilte ihn an.
    »Jede Wette, daß ich nicht die erste war, die Sie heute
    nach Mr. Kirks Zimmernummer gefragt hat.« Er starrte
    mich ausdruckslos an. Ich opferte einen weiteren Dollar.
    »Cowboytyp.« So lautlos, wie ein Rolls Royce aus der
    Vorführhalle gleitet, war das Geld durch die Luft
    geschwebt und dem mir mittlerweile vertrauten
    Verschwinde-Kunststück zum Opfer gefallen.
    Ich stieg in meinen Wagen. Cowboytyp? Cowboytyp.
    Angesichts der Tatsache, daß wir uns in Texas
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    befanden, im Herzen von Cowboyland, verringerte das
    den Kreis der Verdächtigen ungemein. Ich fuhr ins Haus
    der Republik zurück, um Cotton noch mal unter die
    Lupe zu nehmen. Doch Pete erzählte mir, daß er gleich
    nach mir gegangen war. Ich ging auch – nach Hause,
    Anice ausführen.
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    5
    Ich legte mich hin und machte die Augen zu, um über
    die Ereignisse des Tages nachzudenken. Alles schien
    zunehmend verworrener und unkontrollierbarer zu
    werden. Mir war, als hätte ich den ganzen Tag nichts
    anderes zuwege gebracht als zu viel zu essen, noch
    mehr zu trinken und flügelschlagend durch die Stadt zu
    rennen. Mein Verstand spielte Kreisel und trudelte
    davon ins Nichts, und ich bekam einfach nicht die
    Orientierung, um zu erkennen, was vorging. Vielleicht
    war Meditieren die Lösung. Ich versuchte es nach Art
    buddhistischer Mönche, bewegte keinen Muskel und
    konzentrierte mich auf einen Punkt mitten auf meiner
    Stirn. Als ich gerade einen Hauch von Kontrolle über
    meine aufgewühlten Nerven zu spüren begann, landete
    Anice auf meinem Magen. Klar geworden war mir
    dabei nur, daß Hunde in den Tempeln buddhistischer
    Mönche vermutlich Hausverbot haben. Ich schob sie
    von mir, bevor sie bleibenden Schaden anrichten
    konnte, und schloß sofort wieder die Augen.
    Eines war schon sehr befremdlich – allem Anschein
    nach hatte Cotton Peeples Tully angeheuert und nicht
    umgekehrt. Bei seinen Schmerzen war ich geneigt, Tully
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    zu glauben, daß er die Wahrheit gesagt hatte. Aber wer
    in aller Welt würde Cotton beauftragen, einen Bruch zu
    machen und notfalls auch jemanden umzulegen? Und
    wer hatte Tully verprügelt? Und warum?
    Ich gab auf und döste ein. Das Telefon weckte mich
    nach etwa zwei Stunden. Ich griff nach dem Hörer und
    gleichzeitig nach meinen Schläfen, um einen dumpf
    pochenden Schmerz zu stoppen.
    »Hallo?« Ich krächzte schon wie Tully. Jemand hatte
    meine Augen mit Schmirgelpapier bearbeitet, und ich
    war unfähig, auch nur einen Kubikmillimeter Sauerstoff
    in mein System zu pumpen. Ich schwor mir in diesem
    Augenblick, keinen Alkohol mehr anzurühren, was
    immer auch geschehen würde – mindestens einen
    Monat lang und vielleicht sogar für den Rest meines
    Lebens.
    »Spreche ich mit Hollis?« fragte eine heisere
    weibliche Stimme.
    »Ja«, antwortete ich. Mein Hirn befand sich im
    Leerlauf, und ich konnte den ersten Gang nicht finden.
    »Hier ist Lily Delacroix. Wir haben uns vor zwei
    Tagen kennengelernt. Sie hatten vorgeschlagen, daß wir
    uns gelegentlich treffen, und ich wollte fragen, ob das
    Angebot noch gilt?«
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    Ich umklammerte die Sprechmuschel und räusperte
    mich, um ein vernehmliches Ja von mir geben zu
    können.
    »Ich dachte, wir könnten uns vielleicht heute abend
    auf einen Drink treffen.«
    »Heute abend?«
    »Ja, wenn Sie Zeit haben?«
    »Oh, sicher.

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