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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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Meine Familie
    war den irischen Sümpfen entwatet. (Ich konnte sie mir
    gut auf der Überfahrt vorstellen, wie sie sich gegenseitig
    herumschubsten, einander auf die Schulter schlugen und
    grunzten.) Sie gab ein paar amüsante Anekdoten aus
    dem familiären Schatzkästlein zum Besten, und ich
    gewann allmählich meine Fassung wieder, nicht
    unerheblich unterstützt von dem Kellner, der mir ein
    neues Glas hinstellte, kaum daß ich das alte geleert
    hatte. Ich stützte die Ellbogen auf den Tisch und das
    Kinn in die Hände und starrte sie unentwegt an,
    während sie sprach.
    Sie beendete eine Geschichte und sah mich
    erwartungsvoll an, als sei ich nun an der Reihe. Ich
    schaute sie weiter an. Sie hob die Hand, strich sich die
    Haare aus dem Nacken, schüttelte kurz den Kopf, ein
    Schimmern, und dann lag jedes einzelne Haar da, wo es
    hingehörte. Ich war hin und weg. Ein splitternackter
    Hamlet, gespielt von Shakespeare persönlich, hätte
    mich nicht annähernd so beeindruckt.
    Ich stemmte die linke Hand in die Hüfte. Mein Kinn
    lag immer noch in meiner rechten. »Sie sind schön.« Es
    war eine Tatsache. Ich flirtete nicht. Es war genauso
    sicher und wahr und unausweichlich wie der
    Sonnenaufgang am nächsten Morgen.
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    Sie errötete schüchtern. »Sie sehen auch nicht schlecht
    aus«, bemerkte sie und zog leicht den Kopf ein. Dann
    sah sie mich an und nippte an ihrem Courvoisier. »Darf
    ich Sie etwas Persönliches fragen?«
    Au, Scheiße, dachte ich, jetzt kommt‹s. Ich nickte. Ich
    konnte es ebensogut hinter mich bringen.
    »Mögen Sie Frauen?« Nervös nahm sie sich noch eine
    Zigarette und zündete sie umständlich an.
    Ich sagte nur ja. Was hätte ich sonst sagen können?
    Es war der Moment, in dem die meisten heterosexuellen
    Frauen mit entsetztem Aufschrei die Flucht ergriffen.
    »Gut. Ich bin froh darüber.« Sie sagte es ganz
    beiläufig, als wäre es die übliche Antwort.
    Ich hatte mich getäuscht. Sie war jeder Göttin um
    Lichtjahre voraus. Sie war unbeschreiblich. Mein Herz
    bekam Flügel, und die flatterten so wild wie die eines
    Kolibri, der seinen Schnabel in einem Geißblattbusch
    vergraben hat. Mein Gesicht prickelte und fühlte sich
    heiß an.
    »Warum haben Sie mich angerufen?« fragte ich
    schließlich.
    »Ich weiß es nicht. Ich hatte nur den Eindruck, daß
    ich mit Ihnen reden kann. Es geschehen Dinge, die ich
    nicht ganz begreife, und ich wüßte nicht, wem ich sonst
    vertrauen könnte.«
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    »Und Ihr Mann?« Ich mußte diese Frage stellen. Ich
    wollte bis zum Kern vorstoßen. Ich wollte aus ihrem
    eigenen Mund hören, daß sie diesen Widerling nicht
    ausstehen konnte.
    Sie schüttelte den Kopf, und Tränen glitzerten in
    ihren Augen. Sie tupfte sie mit dem Handrücken ab,
    und ich reichte ihr eine Cocktailserviette. »Würden Sie
    mich entschuldigen? Ich muß mir die Hände waschen.«
    Ich schüttelte den Kopf, dann merkte ich, daß ich
    eigentlich hätte nicken müssen. Also nickte ich. Sie
    stand auf und ging weg. Ich wußte nicht genau, was ich
    von diesem Treffen erwartet hatte, aber bestimmt nicht
    dies.
    Dann kam sie zurück, setzte sich wieder und erzählte
    mir, daß sie Andrew nie wirklich geliebt hatte. Sie war
    mit ihrem besten Freund vom College nach New
    Orleans durchgebrannt und hatte ihn geheiratet, um
    Andrew zu entkommen. Es stellte sich heraus, daß der
    Junge homosexuell war, und eines Nachts wurde er zu
    Tode geprügelt, und seine Leiche lag in der Pirate‹s
    Alley, nicht weit von ihrer gemeinsamen Wohnung.
    Nach Ansicht der Polizei hatte ihn jemand umgebracht,
    den er in einer der Bars in der Bourbon Street
    aufgegabelt hatte. Ihre Mutter hatte immer schon
    gewollt, daß sie Andrew heiratete. Sie erzählte ihr so
    oft, wie gut sie zueinander paßten, daß Lily es am Ende
    116
    selber glaubte. Oder sich zumindest einredete, daß sie
    es glaubte. Sie heiratete, damit die alte Schreckschraube
    endlich Ruhe gab. (Dieses Wort beschreibt ihre Mutter
    aus meiner, nicht aus ihrer Sicht). Sie war überzeugt,
    daß er mit ihrer Ehe genauso unglücklich war wie sie,
    aber zu wohlerzogen, um es auszusprechen.
    »Ich hätte niemals heiraten sollen. Ich bin frigide. Ich
    habe es schon immer gewußt«, sagte sie beschämt und
    zugleich wütend auf sich selbst.
    Ich gab ihr noch eine Serviette für ihre Tränen und
    suchte mit Blicken verzweifelt nach dem Ober.
    Schleunigst noch einen Drink für mich, signalisierte ich
    wild mit beiden Armen.
    »Ich sollte Ihnen das alles gar

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