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Heißer Winter in Texas

Heißer Winter in Texas

Titel: Heißer Winter in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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meinem Kopf übertönte.
    Wir bogen rechts in den Montrose Boulevard ein. Ich
    mußte Anices Hinterpfoten packen, damit sie nicht aus
    dem Fenster und auf ihren kleinen Dickkopf fiel. Ich
    fluchte, lenkte, schaltete in einen niedrigeren Gang und
    hielt gleichzeitig Anice fest. Sie kläffte begeistert und
    versuchte, sich noch weiter aus dem Fenster zu hängen.
    So rollten wir majestätisch am Museum vorbei und
    glitten bravourös in die Einfahrt des Warwick. Ich
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    bremste. Ein Bediensteter öffnete mir die Wagentür.
    Dann stieg er ein, und ich grinste boshaft bei seinem
    Schrei, als ihm Anice auf den Schoß sprang und vier
    Pfoten in seine Eier rammte, um ihren Anspruch auf den
    Fensterplatz anzumelden.
    Der Türsteher in seiner Uniform ähnelte einem
    russischen Zaren und strahlte einschüchternde Würde
    aus. Vermutlich hätte ich geknickst, wenn ich sowas
    könnte. Immerhin versuchte ich, nicht zu gehen, als
    vermäße ich gerade ein Baumwollfeld, während ich die
    Lobby durchquerte – die eine kleine Konzession an
    sogenannte Fraulichkeit, zu der ich gelegentlich bereit
    bin.Die Lobby des Warwick wurde von einem
    kristallenen Kronleuchter von der Größe eines
    Flußdampfers erhellt. Die Wände waren in hellem
    Walnußholz getäfelt, und an der dem Eingang
    gegenüberliegenden hing ein Aubusson-Gobelin von
    der Decke bis zum Boden. Letzterer war aus altweißem
    Marmor
    mit
    einer
    Kaffee-mit-Sahne-farbenen
    Berberbrücke. Alles, was blinken sollte, blinkte, und
    alles, was matt schimmern sollte, schimmerte matt. Auf
    jeder Seite der Lobby waren sechs kleine Geschäfte
    eingerichtet, die Kleidung, Geschenke oder Schmuck
    anboten. Ich schritt am Empfang vorbei in einen mit
    Palmen bepflanzten Hof. Die Menschen an den Tischen
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    redeten und lächelten, tranken Kaffee und verzehrten
    französisches Gebäck. Schräg gegenüber wies eine Tafel
    zum Jagdraum. Ich ging unter den riesigen Palmen in
    ihren Messingübertopfen hindurch und schaute hinein.
    Der Raum war sehr dunkel mit einer gefirnißten
    Holztäfelung ringsum. Die Messingleuchter hatten die
    Form übergroßer Jagdhörner. Ein Gasfeuer brannte im
    braunmarmornen
    Kamin.
    Es
    hätte
    meine
    Lieblingskneipe werden können – dunkel, romantisch,
    und nicht eine Erdnußschale auf dem Boden.
    Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten,
    entdeckte ich Lily an einem Ecktisch. Sie lächelte mir
    entgegen, und meine Knie wurden weich, um ein Haar
    wäre ich lang hingeschlagen. Aber dann holte ich nur
    tief Luft und durchquerte aufrecht den Raum. Sie sah
    mir zu. Ich wünschte, sie würde wegschauen – für den
    Fall, daß ich doch noch über irgendwas stolperte.
    Anmut gehört nicht zu den Eigenschaften, für die ich
    bekannt bin. Ich brachte es jedoch fertig, den Tisch zu
    erreichen, ohne mich der Lächerlichkeit preiszugeben.
    Ich hätte mich weniger davor gefürchtet, in der Schlacht
    von Gettysburg mitzukämpfen, meinethalben sogar mit
    nichts als einem rosa Satinröckchen und passendem
    Sonnenschirm angetan. Aber mich mit dieser Frau an
    einen Tisch zu setzen und zu plaudern jagte mir eine
    Todesangst ein. Mehrfach versicherte ich mir, daß sie
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    ein ganz gewöhnlicher Mensch sei, aber ich wußte
    natürlich, daß ich log. Sie war eine Göttin, geradewegs
    vom Olymp herabgestiegen, und das wußte ich ganz
    genau.
    Wie durch Zauberhand erschien ein Kellner, grinste
    wie Carrolls Cheshire-Katze, nahm meine Bestellung
    entgegen und verschwand. Halb rechnete ich damit,
    daß sein Lächeln noch eine Weile im Raum schweben
    würde, nachdem der Rest von ihm längst verschwunden
    war.
    Ich schickte ein Stoßgebet ab, der Kellner möge sich
    beeilen, den mir wurde klar, daß mein Mund zu trocken
    war, um ein Wort zu artikulieren. Also lächelte und
    nickte ich.
    »Hallo. Wie geht es Ihnen?« sagte sie, nahm sich eine
    rote Zigarette mit Goldmundstück und zündete sie mit
    einem Feuerzeug an, das seine 999 Karat haben mochte.
    Beim Öffnen und Schließen des Deckels ertönte ein
    Klicken, das sich sehr vom Blechgeräusch der Zippos
    unterschied, die gewöhnliche Sterbliche benutzten. Ihre
    Zigaretten waren vermutlich teurer als mein Pullover.
    Sie trug ein schwarzes Kleid, das zur Farbe ihrer
    Haare und Augen paßte. Irgendwie sah sie darin wie
    eine Französin aus, und ich sagte es ihr. Sie lachte und
    erzählte, daß sie französischer Abstammung sei. Ihre
    Vorfahren waren um Haaresbreite der Guillotine
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    entkommen und in Louisiana gelandet.

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