Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
Satz eine Lüge sein sollte, war Grace fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass Lance es nie herausfinden würde.
2. Kapitel
D ie Hexe war nicht erfreut darüber, so viel Energie aufwenden zu müssen, aber sie versetzte Lance, seine Enkelin und den Jaguar zum Sanktuarium, dem Betreuungszentrum für Senioren in Brentwood, Kalifornien. Der weitläufige Komplex war für diejenigen eingerichtet worden, denen die Gabe verwehrt wurde, und er sah mehr wie ein Luxushotel aus als wie ein Pflegeheim. Unter der großen Anzahl der dort beschäftigten Krankenschwestern befand sich auch eine verdeckt arbeitende Maja, deren heilende Zauber sicherstellten, dass die Bewohner gesund und aktiv blieben, bis ihre alternden Körper aufgaben. Hier würde Ruth Ann Lacey endlich die Pflege und Fürsorge erhalten, die sie brauchte.
Lance half ihr, sich einzurichten, füllte die notwendigen Papiere aus und benachrichtigte Galahad dann von der Ankunft seiner Tochter, nicht ohne streng hinzuzufügen, dass er sie besuchen solle. Sein Sohn stimmte zu, erstaunt, dass schon fünfzig Jahre vergangen waren, seit er das gescheiterte Debüt der damals jungen Frau gefördert hatte.
Niemand bei Hofe hatte eine besonders gute Vorstellung vom Vergehen der Zeit.
Da Lance wusste, dass Morgana einen Lagebericht erwartete, fuhr er heim nach Camelot. Im Gegensatz zum Sanktuarium war die Anlage, die alle ihr Zuhause nannten, gewollte Mittelklasse, mit Nullachtfünfzehn-Häusern und Bungalows, die so langweilig und farblos waren, wie nur amerikanische Vororte sie hervorbringen konnten. Normalerweise hätte keiner der Magier sich in einem dieser Häuser sehen lassen, doch eine opulentere Zurschaustellung hätte menschliche Aufmerksamkeit erregt, an der niemandem gelegen war. Außerdem lebte dort eigentlich ohnehin keiner.
Sie waren für niemanden ein Zuhause, diese Häuser, sondern bloße Durchgänge.
Lance fuhr zu seinem eigenen unscheinbaren Bungalow und stellte den Jaguar in der Garage über dem im Boden eingelassenen Zaubergenerator ab, den er benutzen würde, um nach South Carolina zurückzukehren. Schade, dass es keine solchen Generatoren in Tayanita County gab! Von dort würde er wieder die Hilfe der Hexe erbitten müssen, um nach Hause zurückzukehren. Und Morgana irgendetwas zu schulden war nicht gut.
So, wie die Dinge lagen, brauchte er vor der Zusammenkunft zunächst einmal einen Drink. Hungrig oder durstig zu einer Konfrontation mit der Vorsitzenden des Majae-Rates zu gehen war eine denkbar schlechte Strategie.
Die Garagentüren schlossen sich hinter Lance, als das Haus seine Gegenwart spürte und sich leise klickend die Schlösser öffneten. Er trat ein und ging durch die Küche, ohne das Geschirr zu beachten, das seit zwanzig Jahren die Spüle füllte. Wie alles andere im Haus waren es nur Requisiten, die dazu dienen sollten, menschlichen Einbrechern den Eindruck zu vermitteln, dass die Bewohner gerade erst zur Tür hinausgegangen waren.
Lance trat auf ein blaues, im Boden eingearbeitetes Kachelmuster und murmelte: »Lord’s Club.« Gehorsam ließ der Generator unter Lance’ Füßen die Welt zu Weiß verschwimmen. Die magischen Energien schufen einen Durchgang zwischen einem Universum und dem nächsten.
Als das weiße Licht verblasste, war Lance von den teuren Ledergarnituren und Antiquitäten des Herrenklubs umgeben – und den stärkenden Energien der Parallelwelt Mageverse. Lance seufzte, als die Anspannung, die er in der realen Welt immer verspürte, von ihm abfiel. Oft dachte er, dass sich ein Fisch so fühlen musste, wenn er von einem Boot in die kühlen, dunklen Wasser eines Sees zurückgeworfen wurde.
Der Lord’s Club war an diesem Abend weitgehend leer, bis auf Artus, Reece Champion und einen anderen Mann, dem Lance noch nie begegnet war. Sie saßen an einem der runden Tische, und Artus, der danebenstand, stellte gerade eine Flasche und drei Gläser auf die Tischplatte.
Äußerlich hatte der einstige Hochkönig sich überhaupt nicht verändert; rein körperlich war er immer noch derselbe Mann, der sechzehn Jahrhunderte zuvor Lance’ Loyalität gewonnen hatte. Er hatte immer noch die gleiche kräftige Muskulatur, die er sich erworben hatte, als er versucht hatte, das Chaos im Lande zu beseitigen, nachdem Rom seine britischen Untertanen im Stich gelassen hatte. Seit Lance’ letztem Besuch hatte er sich den dunklen Bart wieder abrasiert und zeigte nun wie früher sein rundes, jungenhaftes Gesicht mit dem von Lachfältchen
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