Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
verblasste und wich dem Anflug eines aristokratischen, der ein wenig hochmütig klang und Grace merkwürdig vertraut war. »Ich bin Lord Galahads Tochter. Ich habe auf dem Ball der Vampire getanzt. Diese Leute sollten nicht so mit mir umgehen.«
Vorsichtig schloss Grace die Tür des Küchenschrankes. Dabei musste sie gegen den Impuls ankämpfen, sie zuzuknallen. »Nein, Ma’am, das sollten sie nicht. Und wenn Sie einen Moment hier warten, werde ich etwas dagegen unternehmen.«
»Sie hätten mich als Debütantin sehen sollen.« Langsam begann die magere Gestalt, sich vor und zurück zu wiegen. »Ich trug ein wunderschönes Kleid. Ganz aus silberner Spitze, und ich tanzte … oh, wie ich tanzte!« Eine Träne rollte über ihr schmutziges Gesicht und glitzerte im Schein der Taschenlampe.
»Ja, Ma’am.« Grace schenkte ihr ein angespanntes Lächeln. »Sie waren sicher ganz bezaubernd. Aber wenn Sie mich einen Moment entschuldigen würden … da ist jemand, den ich Ihnen vorstellen möchte«, sagte sie und ging zur Eingangstür.
Wie erwartet, parkte der Jaguar draußen hinter dem Streifenwagen. Mit grimmig vorgeschobenem Kinn bahnte Grace sich einen Weg durch den verwilderten Vorgarten, den die alte, kranke Mrs. Lacey nicht mehr pflegen konnte.
Das Fenster an der Beifahrerseite glitt leise summend herab. Grace bückte sich und fauchte Lance, der fragend eine Braue hochzog, wütend an:
»Steig aus, und komm mit! Da in dem Haus ist jemand, den du sehen solltest.«
Ohne abzuwarten, ob er gehorchen würde, drehte sie sich wieder um und marschierte zur Eingangstür zurück. Aber seine Wagentür öffnete und schloss sich mit einem dezenten Klicken. Und jede verdammte Nervenzelle an Grace’ Nacken übermittelte Lance’ eindrucksvolle männliche Präsenz an ihr Gehirn. Hör auf damit! Vergiss es, Grace!, befahl sie sich.
Sie stieß die schiefe Moskitogittertür auf und ging voran.
Als Lance ihr folgte, richtete sie die Taschenlampe zur Decke und drehte sich um, um ihn in ihrem Licht zu mustern. Seine Nasenflügel bebten in aristokratischem Abscheu vor dem Gestank nach Alter und Verdorbenem. »Nett, was?«, sagte sie. »Erinnert mich an meine Kindheit.« Dann richtete sie den Lichtstrahl mit voller Absicht auf sein Gesicht und sah Mrs. Lacey an, die sie beide verwundert anblinzelte.
Plötzlich weiteten sich die Augen der alten Frau, und Grace wusste auf die Sekunde genau, wann Mrs. Lacey ihn erkannte. Erstaunen erschien in ihren alten Augen, dann Freude – und schließlich eine herzzerreißende Scham über ihre Umgebung. »Lord Lancelot!« Grace musste den Arm der Frau ergreifen, als sie schwankend versuchte, einen Knicks vor Lance zu machen. »Ich wusste nicht, dass Sie kommen würden!«
»Das ist Mrs. Ruth Ann Lacey.« Mit einem höflichen, etwas angespannten Lächeln blickte Grace in Lance’ erstaunte Augen, während sie die hinfällige alte Dame stützte. »Sie ist Galahads Tochter – und deine Enkelin.«
Es sprach für Lance, dass er nicht zögerte, sogleich etwas zu unternehmen. Sowie Grace ihm Mrs. Laceys Situation geschildert hatte – dass sie weder ausreichend zu essen noch Hilfe hatte und wie schwach und krank sie war –, zog er etwas aus der Manteltasche, was wie ein Handy aussah, und drückte eine Taste.
Dass das Gerät weit mehr als ein Telefon war, wurde augenblicklich offensichtlich, als sich mitten in Mrs. Laceys schäbigem Wohnzimmer ein stilvoller, hell erleuchteter Durchgang öffnete.
Hinter dieser Tür blickte eine schlanke Frau in eisblauer Seide von einem massiven Ebenholzsekretär und einem dicken Buch auf, das aufgeschlagen vor ihr lag. Die Dame runzelte die Stirn, als sie sich das dunkle Haar aus dem Gesicht strich. Sie sah nicht älter aus als dreißig. »Bist du das, Lance? Wo warst du überhaupt? Und wer ist die Frau?«
Er legte eine Hand auf Mrs. Laceys Schulter. Die alte Frau zitterte am ganzen Körper, doch sie blickte hingerissen zu ihm auf, und Tränen liefen unaufhörlich über ihre schmalen Wangen. »Ich bitte um Transport für mich und eine meiner Angehörigen zum Elysium-Sanktuarium«, sagte er.
»Und was ist mit meiner Enkeltochter?«, fragte die Frau in eisblauer Robe. »Wo ist sie?«
Grace trat in den Empfangsbereich des Telefons. »Hier, Morgana«, sagte sie mit grimmiger Miene. »Und ich bin immer noch nicht interessiert an dem, was du zu bieten hast.« Dann richtete sie den gleichen bösen Blick auf Lancelot. »Dasselbe gilt für dich.«
Und falls dieser letzte
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