Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
worden. Juliette hatte gewusst, dass er ihr folgen würde. Aber er konnte die Barrieren in ihrem Geist nicht ganz durchdringen. Könnte sie ihn verraten haben? War es überhaupt möglich, dass ein Seelengefährte seine andere Hälfte verriet? Riordan bezweifelte es, doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, und so antwortete er einfach nicht und zog sich aus Juliettes Geist zurück. Das Echo ihres entsetzten Aufschreis zerriss ihm das Herz, aber er ließ sich davon nicht umstimmen, als er zu den Baumkronen hinaufflog und sich in einen Vogel verwandelte. Dann verhielt er sich ganz still, versteckte sich zwischen den anderen Vögeln in dem Baum und besah sich aufmerksam die Falle, die für ihn errichtet worden war.
Sie war herabgeschnellt, ohne von jemandem bedient worden zu sein; er war einfach nur hineingeflogen. Das bedeutete, dass dort draußen noch andere Fallen auf ihn warten könnten. Blut lief an seinem Schnabel herab und sickerte durch sein Gefieder. Tief unten auf dem Dschungelboden lag das silberne Netz, an dessen dünnen Drähten Riordan Spuren seines Blutes sehen konnte.
Menschen, Marionetten eines Vampirs, hatten die Falle aufgebaut, und nur ein Meistervampir konnte seine Gegenwart vor Riordan verborgen haben. Er hatte es mit etwas äußerst Mächtigem und Unheilvollem zu tun. Mit etwas, das bereit war, sich mit Menschen zusammenzuschließen und sie für seine eigenen skrupellosen Zwecke zu benutzen.
Furcht um seine Gefährtin erfasste Riordan. Juliette war irgendwo allein und schutzlos. Die Sache mit der Falle konnte nichts mit ihr zu tun haben. Was für einen Sinn hätte es, ihn zuerst zu retten, um ihn dann in eine Falle zu locken? Er rührte an ihr Bewusstsein und hörte sie weinen, was ihm wieder fast das Herz zerriss. Für einen Moment wurde seine Kehle so eng, dass er keine Luft bekam und zu ersticken glaubte. Wie konnte ihr leises Weinen ihn derart aufwühlen?
Juliette? Es ist nichts passiert, es war nur eine Falle, die aber versagt hat.
Ein kurzes Schweigen folgte. Er stellte sich vor, wie Juliette ihre Tränen abwischte, und spürte den Ärger, der sich in ihr regte. Ich finde es abscheulich von dir, dass du uns das angetan hast! Uns aneinander zu binden, bis wir ohne den anderen nicht mehr atmen können!
Das Schicksal hat uns aneinander gebunden, Juliette.
Du hattest eine Wahl.
Nein, die hatte ich nicht. Ich war aufrichtig schockiert darüber, dich zu finden. Ich hatte nie damit gerechnet, dir zu begegnen. Sag mir, warum du so widerspenstig bist! Ich kann dir helfen, egal, welche Aufgabe du dir vorgenommen hast. Du bist gar nicht so sehr gegen unsere Verbindung, wie du es mich glauben machen willst.
Er spürte ihren Schreck darüber, dass er ihre Schutzbarrieren in einem solchem Maß durchdrungen hatte, fühlte, wie es sie verletzte, dass er auch nur überlegte, ob sie Teil einer Verschwörung gegen ihn sein könnte, obwohl sie ihr Leben riskiert hatte, um ihn aus dem Laboratorium zu befreien. Auch dass sie sich von ihm zurückzog, spürte er, aber das durfte er nicht so wichtig nehmen. Er würde sie finden. Ihm blieb gar keine andere Wahl.
Karpatianer reisten häufig in Gestalt einer Eule. Der Vampir hatte jedoch eine Falle konstruiert, um Riordan in Form von Nebel zu erwischen, da er wusste, dass karpatianische Jäger ihn oft zur Fortbewegung nutzten. Ebenso gut könnte er aber auch eine Falle für einen Vogel vorbereitet haben, und deshalb nahm Riordan nun die Gestalt einer flinken kleinen Zibetkatze an, um sich schnell durch das Gewirr der Baumkronen bewegen zu können. Jede andere Falle für ein Tier wäre für einen Wolf oder den viel schwereren Leopard gedacht, deren Gestalt Karpatianer üblicherweise für schnelles Vorankommen benutzten.
Riordan war jetzt viel vorsichtiger, als er sich von Ast zu Ast bewegte, und immer wieder suchte sein Geist die Verbindung zu Juliettes. Er war es gewohnt, sich vollkommen im Griff zu haben, ohne die Gefahr intensiver Emotionen, und seine neu erwachten Gefühle brachten ihn spürbar aus dem Gleichgewicht. Er seufzte. Ich bin ebenso gefangen wie du, Juliette.
Das darauf folgende Schweigen war so lang, dass er schon befürchtete, keine Antwort mehr zu bekommen. Ich würde es nicht ›gefangen‹ nennen. Ich bin nur wie besessen, was ich sehr beunruhigend finde.
Ich habe nichts dagegen, der Gegenstand deiner Besessenheit zu sein.
Ich schon. Ich will nicht von irgendwas oder irgendwem besessen sein, und schon gar nicht von einem
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