Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
fest an sich drückte. Trotz des Lächelns, mit dem sie aus dem Haus trat, waren ihre Augen feucht von Tränen. Es war offensichtlich, dass sie stundenlang geweint hatte. Riordans Herz zog sich zusammen, als er die Arme ausbreitete und sie sich hineinschmiegte und die Wange an seine Brust legte.
Über ihren Kopf hinweg nickte er, als Solange und Jasmine zögernd eine Hand erhoben, bevor sie die Haustür hinter sich zuzogen. »Es tut mir so leid, dass ich nicht bei dir sein konnte, um dich zu trösten«, flüsterte er und hauchte Küsse auf Juliettes Schläfe und ihre tränenfeuchte Wange. »Ich wollte für dich da sein.«
»Ich weiß. Aber ich trug dich in mir und habe mehr als einmal Halt bei dir gesucht. Sie braucht Zeit, Riordan. Bitte, nimm nicht persönlich, wie sie sind! Irgendwann werden auch sie dich lieben, daran hege ich nicht den kleinsten Zweifel.«
»Sie haben mich zumindest akzeptiert«, erwiderte er. »Und da ich nicht einmal das erwartet hatte, ist das schon ein großer Fortschritt.«
»Ich möchte eine andere Gestalt annehmen und für eine Weile mit dir verschwinden. Nur wir beide, irgendwohin, wo es schön ist und ich nicht an die schrecklichen Dinge denken muss, die denen widerfahren, die ich liebe. Bring mich von hier fort, Riordan! Lass uns zu unserem Teich zurückkehren und einfach nur irgendwo zusammen sein!«
»Würdest du gern mal ein Panther sein? Ich benutze seine Gestalt sehr häufig, wenn ich durch den Dschungel streife.«
Sie zog an ihren Armen, bis er sie losließ. »Das wäre vielleicht das Beste. Tief im Innersten fühle ich mich immer noch wie eine Katze. Lass es uns also versuchen!« Der Gedanke, sich im Körper eines Tieres zu verlieren, war für Juliette verlockend. Es war sehr aufreibend gewesen, in all diesen Stunden ihre kleine Schwester in den Armen zu halten, sie zu wiegen wie ein Kind und mit ihr zu weinen. Mit ernster Miene schaute Juliette wieder zu Riordan auf. »Letzten Endes kann man gar nichts tun, um es rückgängig zu machen. Es gibt keine Möglichkeit, Jasmine zu helfen.« Für einen Moment sah Juliette beschämt aus. »Ich wollte dich schon fragen, ob du ihr ihre Erinnerungen nehmen könntest.«
»Nicht bei einem derart schweren Trauma. Vielleicht könnte ich die Auswirkungen abschwächen, aber die Erinnerung bliebe ihr, und vielleicht wüsste sie dann nicht, warum sie auf bestimmte Dinge reagiert, die sie stören und belasten. Wenn du allerdings willst, dass ich es versuche …«
Juliette schüttelte den Kopf. »Jasmine ist stark. Sie kann es überwinden, vielleicht sogar besser als wir anderen. Ich habe Solange noch nie so deprimiert gesehen. Wir hatten uns dafür entschieden hierzubleiben, weil Mom uns erzählte, dass einige Jaguarmenschen Frauen entführten, von denen sie glaubten, sie besäßen Jaguarblut, und sie hierherbrachten. Diese Frauen haben niemanden sonst und keine Hoffnung auf Befreiung außer durch uns. Deshalb sind wir hiergeblieben.«
»Jetzt sind noch andere da, die helfen werden, Juliette. Wie ich, meine Brüder und mein Volk. Wir alle werden helfen.«
Da wurde Juliette plötzlich ganz leicht ums Herz, und endlich lächelte sie wieder. » Unser Volk, Riordan. Ich bin jetzt eine Karpatianerin, hast du das bereits vergessen?«
Lächelnd strich er mit den Fingerspitzen über ihre Wange, nahm ihr Gesicht zwischen seine starken Hände und senkte den Mund auf ihre Lippen. Sein Kuss war sanft und liebevoll. »Durch und durch Karpatianerin, wie könnte ich das vergessen?«
»Wie geht das also mit der Verwandlung?«
»So ähnlich wie vorher. Ich habe das Bild und die Gestalt eines Panthers im Kopf. Betrachte sie, konzentrier dich darauf und greif danach! Ich werde dir helfen. Bei uns Karpatianern ist es so, dass wir das Bild der anderen Gestalt, in der wir uns befinden, die ganze Zeit über festhalten müssen. Ein Jaguarmensch dagegen wird zu dem Jaguar, während wir nur das Abbild des jeweiligen Tieres sind. Wir verfügen über all seine Sinne und Fähigkeiten, doch wir müssen seine äußere Erscheinung aufrechterhalten.«
Das gefiel Juliette, weil es ihre Gedanken voll und ganz in Anspruch nehmen würde. Und sie merkte auch, dass sie noch nicht wirklich bereit war, die Freiheit aufzugeben, die sie stets dabei empfunden hatte, in Jaguargestalt den Dschungel zu durchstreifen und in den hohen Baumkronen herumzuspringen. Juliette streckte die Arme zum nächtlich dunklen Himmel aus. »Zeig mir den Panther.«
»Er ist in deinem Bewusstsein,
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