Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
Mutter und hatte die gleichen makellosen Züge, ihr Körper allerdings war anmutig und gertenschlank. Wie ihre Mutter war auch sie ganz in Weiß gekleidet, einschließlich des Turbans, der ihr Haar verdeckte. Sie sagte nichts, weil sie vielleicht spürte, dass Jenny unbemerkt in ihr Zimmer hinaufgelangen wollte, nickte nur wissend und wandte sich wieder dem Teig in der Schüssel zu.
Jenny stieß die Schwingtür zur Hintertreppe auf und lief zum ersten Stock hinauf. Die Treppe führte noch weiter, in den zweiten Stock, wo Eva Lynn und Mamma Louisa ihre Zimmer hatten, aber Jenny hielt auf dem ersten Treppenabsatz inne, stieß die Tür auf und trat in die prächtige Diele mit dem schwarz-roten Samtläufer, den vergoldeten Tischchen, Spiegeln, Vasen und Mini-Kristalllüstern hinaus, die alle paar Meter von der hohen Decke hingen. Auf leisen Sohlen huschte Jenny zu ihrem Zimmer und wischte sich über die schweißbedeckte Stirn. Auf den Gängen gab es keine Aircondition, nur in den Zimmern selbst, sodass die Korridore wie Saunen waren und die Luft dort fast so unerträglich heiß und schwül war wie draußen im Freien.
Vor ihrer Zimmertür blieb sie verwundert stehen und überlegte kurz. Sie stand einen Spaltbreit offen. Jenny war ganz sicher, sie geschlossen zu haben, als sie gegangen war.
Sie runzelte die Stirn und drückte die Tür vorsichtig ein Stückchen weiter auf. Professor Hinkle saß an dem kleinen Tisch im Wohnzimmer ihrer Suite und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm ihres Laptops, den sie ausgeschaltet hatte, bevor sie morgens aufgebrochen war.
Verärgert trat sie ein und räusperte sich laut.
Sichtlich überrascht blickte Hinkle auf. Für einen Moment huschte Schuldbewusstsein über sein verkniffenes Gesicht, doch genauso schnell verschwand es wieder. »Na, wie war der Ausflug?«, fragte er, als wäre er bei nichts Ungewöhnlichem – und schon gar nichts Unrechtem – ertappt worden.
»Was zum Teufel tun Sie hier in meinen Zimmern?«
Er zog die Brauen hoch. »Ich sehe Ihre Aufzeichnungen durch und überprüfe Ihre Handhabung dieses Projektes – was genau das ist, wozu ich hergeschickt wurde, Professor Rose.«
»Das könnten Sie auch, ohne in meine Privatsphäre einzudringen und in meinen privaten Dingen herumzuschnüffeln!«
»Und wie?«, fragte er mit einem arglosen Schulterzucken, das pure Heuchelei war. »Die Dateien sind auf dem Computer, und der war hier drinnen.«
»Ich gebe ihn gern eine Kopie meiner sämtlichen Dateien auf Diskette oder CD, was immer Sie bevorzugen; Sie brauchen lediglich darum zu bitten. Aber mein Zimmer, Professor Hinkle, ist tabu.«
»Ich bin der ranghöchste Wissenschaftler auf dieser Mission«, erinnerte er sie. »Ganz zu schweigen davon, dass ich auch der Leiter der Abteilung bin.«
»Aber wie lange wären Sie das noch, wenn ich jetzt den Dekan anrufe und ihm sage, dass ich Sie beim Herumschnüffeln in meinem Schlafzimmer erwischt habe?« Ein leises Lächeln huschte um ihre Lippen. »Sexuelle Belästigung ist so eine hässliche Anschuldigung. Ich würde das wirklich nur sehr ungern öffentlich machen, wenn es nicht sein müsste.«
Hinkle erhob sich und klappte den Laptop zu. »Sie haben gewonnen, zumindest diese Runde. Ich werde mich aus Ihren Zimmern fernhalten.«
»Ich denke, ich werde sie von jetzt an abschließen, nur um sicherzugehen.«
»Man könnte fast auf die Idee kommen, Sie hätten etwas zu verbergen, Professor Rose.«
Sie trat beiseite und öffnete weit die Tür, um ihn hinauszulassen.
Aber so schnell ging er nicht. »Wieso haben Sie passwortgeschützte Dateien auf Ihrer Festplatte?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das sind meine Tagebücher. Ich fülle diese Dateien mit romantischen Tagträumen, die Sie nicht im Geringsten interessieren würden.«
»Warum bin ich mir so sicher, dass Sie lügen?«
»Vielleicht, weil Sie ein misstrauischer Mensch sind? Aber das ist nicht mein Problem. Und jetzt würde ich gern duschen und mich umziehen, falls Sie nichts dagegen haben …«
»Was haben Sie heute Morgen auf Ihrer Expedition gefunden?«
Sie sah ihm in die Augen und erwiderte ruhig seinen Blick. »Gar nichts.«
Hinkle grinste, dann wandte er sich ab und verschwand endlich.
Jenny schloss die Tür. Sie hatte wirklich vor, zu duschen und sich die klebrige Hitze des Bayous von der Haut zu spülen. Als sie aber durch das Zimmer ging, knirschte etwas unter ihren Schuhen, und sie blieb stehen, um nachzusehen, was es war. Schlamm.
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