Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
sein und nach dem Werwolf Ausschau halten.«
»Der Mond geht heute um neun Uhr zweiundzwanzig auf. Ich verspreche dir, dass ich dich schon lange vorher zum Abschied küssen werde.«
Ihr Magen zog sich zusammen. »Wie kommst du darauf, dass ich mich von dir küssen lassen werde?«
»Oh, natürlich werde ich dich küssen. Betrachte dich also als vorgewarnt.«
Sein Blick ruhte auf ihrem Mund, und sie musste gegen das Bedürfnis ankämpfen, sich über den Tisch zu beugen und ihre Lippen auf die seinen zu pressen. Deshalb schob sie schnell ihren Stuhl zurück und stand auf. »Ich muss jetzt wirklich gehen.« Weil sie, wenn sie noch länger blieb, versucht sein könnte, sich zu etwas sehr Unvernünftigem hinreißen zu lassen.
»Dann wünsche ich dir noch einen schönen Nachmittag, Jenny. Und vergiss nicht, dass ich dich um sechs Uhr abhole.«
Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als sie noch einmal stehen blieb. »Samuel, die anderen – die Studenten und Professor Dr. Hinkle –, haben keine Ahnung von den gestrigen Geschehnissen. Und dabei möchte ich es auch belassen.«
»Du hast es ihnen nicht erzählt?«, fragte er, während er aufstand, um mit ihr zur Tür zu gehen. »Warum nicht?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Weil ich zuerst Beweise haben will.«
»Du denkst also, sie würden dir nicht glauben?«
»Ich weiß nicht, ob sie mir glauben würden oder nicht. Aber bitte erwähne nichts davon, falls du einen von ihnen – oder alle – heute Abend triffst.«
»Dein Geheimnis ist bei mir sicher«, murmelte er. Dann öffnete er die Tür und wurde von irgendetwas hinter Jenny abgelenkt. Als sie sich umdrehte und den riesigen Hund sah, der auf sie zurannte, erschrak sie. Beim genaueren Hinsehen erkannte sie, dass es nicht einmal ein Hund, sondern sogar ein großer, schwarzer Wolf war.
»Mojo! Da bist du ja. Du kommst aber heute spät zum Essen«, rief Samuel.
Jenny trat aus dem Weg, als der Wolf an ihr vorbei ins Haus lief, Samuel begeistert ansprang und ihm die Pfoten an die Brust legte. Samuel lachte und fuhr mit den Händen durch das lange, dichte Fell des Tieres.
»Das ist mein Haustier, Mojo.«
»Das ist ein Wolf.«
»Nur eine Wald- und Wiesenmischung, das schwöre ich.«
Jenny nickte und tätschelte dem Hund ein wenig unsicher den Kopf, bevor sie sich zum Gehen wandte.
»Bis später, Jenny.«
»Danke für den Lunch.« Sie verließ die Hütte schnell und eilte in den Wald zurück. Sobald sie außer Sicht war, lehnte Jenny sich an einen Baum, verschränkte die Arme vor der Brust, schloss die Augen und fragte sich, wann sie je zuvor so angetörnt gewesen war wie gerade eben. Samuel hatte sie kaum berührt, und trotzdem zitterte sie am ganzen Körper!
Ein paar Mal atmete sie tief durch, um ihre aufgewühlten Nerven zu beruhigen, und setzte sich schließlich wieder in Bewegung, um zu der Stelle zurückzukehren, wo sie den Gipsabdruck abholen musste.
Doch als sie sie erreichte, war das Laub, das sie über den Abdruck gelegt hatte, verschwunden. Auch der Gips war nicht mehr da, und der Fußabdruck war bis zur Unkenntlichkeit verschmiert.
4. Kapitel
A ls Jenny zur Plantage zurückkehrte, schlüpfte sie leise durch eine Seitentür ins Haus und hoffte, auf dem Weg zu ihrem Zimmer niemandem zu begegnen. Sie war verwirrt, verärgert und immer noch bemüht, sich die Ereignisse des Tages genauso in Erinnerung zu rufen, wie sie stattgefunden hatten. Zuerst hatte sie den Gipsabdruck gemacht. Dann hatte sie das Auto gehört. Als Nächstes hatte sie sich von ihrer kostbaren Fußspur entfernt, sie unbeaufsichtigt gelassen, um die Quelle des Motorengeräuschs zu suchen, und hatte sich an das Blockhaus im Wald und den inzwischen stillen Jeep herangeschlichen. Und kurz danach war Samuel La Roque hinter ihr erschienen.
Hinter ihr.
Warum war er nicht gleich ins Haus gegangen, nachdem er aus seinem Wagen ausgestiegen war? Es war ja schließlich nicht so, als hätte sie Geräusche verursacht, die ihn auf ihre Anwesenheit aufmerksam gemacht haben könnten. Was hatte ihn also dazu veranlasst, an ihr vorbei in den Wald zu schleichen und dann hinter ihr wieder aufzutauchen? Und die wichtigste Frage überhaupt: War er es, der zunichtegemacht hatte, was vielleicht die bedeutendste Entdeckung ihrer Karriere gewesen wäre?
Sie ging durch die Küche, wo Eva Lynn in einer großen Metallschüssel irgendeinen köstlich duftenden Teig anrührte und ihr ein Lächeln zur Begrüßung schenkte. Eva Lynn war eine jüngere Ausgabe ihrer
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