Heißes Blut: Anthologie (German Edition)
beanspruchte, wie es kein noch so guter Wein jemals vermocht hätte. Sie schnupperte an dem Glas, ließ sich von dem Bouquet des Weines erfüllen und nahm dann einen kleinen Schluck, den sie im Mund behielt, um ihn eingehend zu kosten, bevor sie ihn hinunterschluckte. Der Geschmack des Weines verblieb auf ihrer Zunge, selbst als seine Wärme sich schon auf ihren Körper übertrug.
»Mm.« Sie öffnete die Augen und sah, dass Samuels Blick auf ihr Gesicht gerichtet war.
Jemand räusperte sich in der Nähe, und als Jenny aufblickte, sah sie, dass der Ober mit zwei Speisekarten in den Händen bereitstand. »Darf ich Ihnen unsere Spezialitäten empfehlen?«, fragte er.
Samuel gab ihr mit einem Blick zu verstehen, sie solle für beide antworten. »Nein, danke, ich weiß, was ich will«, sagte sie. »Ich wollte schon seit langer Zeit mal wieder einen echten Cajun-Gumbo essen. Servieren Sie auch eine vegetarische Version?«
»Selbstverständlich. Sie haben eine gute Wahl getroffen«, meinte er und wandte sich dann Samuel zu.
»Steak. Blutig.«
»Und welche unserer Beilagen möchten Sie dazu?«
»Keine. Bringen Sie mir nur das Steak.«
Der Ober wandte sich ab und eilte davon.
Jenny beobachtete Samuel verstohlen während des Essens und erkannte, dass seine Worte mehr waren als nur Gerede. Er schien wirklich jeden Geschmack, jeden Geruch und jeden Laut zu genießen. Den größten Gefallen fand er ganz offensichtlich jedoch an ihr , wenn er sie ansah und jede ihrer Bewegungen beobachtete.
»Dessert?«, fragte er, als er das ganze Steak verputzt hatte und den Teller beiseiteschob.
»Nein, danke. Ich konnte nicht einmal diese Riesenschüssel Gumbo leeren, die sie mir gebracht haben.« Ein leises Schuldbewusstsein beschlich sie, als sie die Reste des Eintopfgerichtes ansah. »Er war aber wirklich köstlich.«
Samuel lächelte. »Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.« Ohne den Kopf zu wenden, hob er eine Hand, um die Aufmerksamkeit des Kellners zu erregen, der in ihrer Blickrichtung auf der anderen Seite des Raumes stand. Ob Samuel irgendwie wusste, dass der Mann zu ihnen herüberblickte, oder ob es einfach nur Glück war, hätte Jenny allerdings nicht sagen können.
»Ja, Sir? Ist alles in Ordnung?«
Samuel nickte. »Wir möchten jetzt gehen«, erklärte er und drückte dem Mann einen Geldschein in die Hand. Jenny konnte nicht sehen, wie viel es war. »Die Flasche nehmen wir mit. Berechnen Sie sie, und behalten Sie den Rest.«
»Ja, Sir«, erwiderte der Kellner und steckte das Geld ein. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, musste es reichlich sein. »Es war mir ein Vergnügen, Sie zu bedienen, Doktor La Roque.« Er nickte Jenny zu. »Und Sie natürlich auch, Professor Rose.«
Jenny war überrascht, dass er ihren Familiennamen kannte, aber sie erwiderte nur sein Lächeln und stand auf. Samuel kam um den Tisch herum, legte eine Hand um ihre Taille und ließ sie dort liegen, als er neben Jenny zu seinem Jeep hinausging.
»Du sitzt nicht gern lange beim Essen, Samuel, nicht?«
Er blieb stehen und blickte auf sie herab. »Ich wollte dich bestimmt nicht hetzen, Jenny. Es ist nur so, dass … Nun ja, ich kann es kaum erwarten, dich auf der Plantage herumzuführen, und leider haben wir nicht gerade sehr viel Zeit.«
»Schon gut, ich bin auch schon sehr gespannt darauf, sie zu sehen. Ich wohne bereits seit ein paar Tagen dort und habe noch keine freie Minute gehabt, um mir das Gelände anzusehen. Das Wenige, was ich gesehen habe, ist jedoch wunderschön.« Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es ihr in der Gesellschaft dieses Mannes noch viel schöner erscheinen würde. »Wie kommt es, dass du dich dort so gut auskennst?«
»Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht«, entgegnete er nüchtern. »Und … die Plantage hat einmal meiner Familie gehört.«
Überrascht wandte sie sich ihm zu. »Das wusste ich nicht.«
Er nickte. »Vor hundert Jahren. Mein Urgroßvater verlor sie, nachdem sie sich seit dem achtzehnten Jahrhundert im Besitz meiner Familie befunden hatte.«
»Wie? Was ist passiert?«
Er zuckte mit den Schultern und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Gerüchten zufolge wurde er für seine vermeintlichen Verbrechen aus der Stadt gejagt. Wäre er zurückgekehrt, hätte ihn der Strick erwartet. Der Besitz wurde als aufgegeben erachtet und vom Staat beschlagnahmt, um später bei einer Versteigerung verkauft zu werden.«
»Das ist ja schrecklich!« Jenny legte den Kopf ein wenig schräg. »Was
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